Sollte Long Covid zur Berufskrankheit werden?

Einmalmaske liegt auf Straße

Immer mehr Menschen leiden unter den Langzeitfolgen einer Infektion mit dem Coronavirus. Sollte Long Covid eine Berufskrankheit werden?

Ob Lehrkräfte, Pflegepersonal, Polizistinnen und Polizisten oder auch Supermarktpersonal – sehr viele können ihre Tätigkeit nicht oder nur teilweise aus dem Homeoffice erledigen. Sie arbeiten direkt mit Menschen, können Kontakte also kaum vermeiden. Dabei werden sie nach wie vor nicht oder nur unzureichend vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus geschützt.

Nun werden erste Forderungen laut, dass Long Covid – die Spätfolgen wie chronische und schwere Erschöpfung nach einer überstandenen Infektion mit dem Coronavirus – als Berufskrankheit anerkannt werden sollte. Das wäre nur folgenrichtig, denn es ist völlig unklar, ob etwa die Berufsunfähigkeitsversicherung greift, wenn Menschen in ihrer Lebensmitte und vor allem Erwerbsphase so schwer an dem Virus erkranken, dass sie ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr oder nur noch erwerbsgemindert nachkommen können.

Betroffene müssen nachweisen, wo sie sich infiziert haben

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtDer Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) stellt nun fest, dass die rechtliche Grundlage grundsätzlich besteht, um sich eine Erkrankung als Arbeits- oder auch Wegeunfall oder Berufskrankheit anerkennen zu lassen. Die Hürden dafür sind allerdings hoch, zu hoch. Immerhin müssen Betroffene nachweisen können, dass sie sich bei der Arbeit infiziert haben und dass dies aufgrund einer Anweisung durch den Arbeitgeber erfolgt ist. Jedoch wissen viele in der Regel nicht, wo genau und wie die Ansteckung erfolgte. Zwar führt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) aus, dass auch denkbar ist, dass es im Einzelfall als Nachweis ausreichend sein kann, auf eine größere Anzahl nachweislich infizierter Personen im Betrieb zu verweisen – doch das steht eher auf wackeligen Füßen.

Für viele sind allein diese Anforderungen schwer zu erfüllen, andere scheuen den langen und bürokratischen Weg. Auch wurden bereits vor der Pandemie zahlreiche beruflich verursachte Erkrankungen wie beispielsweise psychische Erkrankungen nicht als Berufskrankheit anerkannt. Auch war es meist ein langwieriges Verfahren. Und selbst da, wo die Beweislage eindeutig war, mussten viele Beschäftigte kämpfen.

Viele Unfallversicherungsträger informieren gar nicht oder nur sehr unzureichend

Covid-19 ist neu, kaum erforscht, das Infektionsgeschehen zu dynamisch, die Menschen im Lockdown auf sich selbst zurückgeworfen, viele Stellen überfordert – wie soll da ein Nachweis gelingen? Laut dem DGB liegen rund 30.000 Anzeigen einer Corona-Infektion als Arbeitsunfall bei den Unfallversicherungsträgern vor, die Dunkelzahl soll deutlich höher sein. Die Gewerkschaften kritisieren zudem, dass viele Unfallversicherungsträger entweder gar nicht oder nur sehr unzureichend informieren. Die Forderung lautet daher, dass die Debatte rasch und dringend geführt werden muss, damit mehr Berufstätige Unterstützung erhalten – eine erste Übersicht ist hier zu finden.

Mehr Informationen im SPIEGEL-Bestseller:

Cover Was Chefs nicht dürfen (und was doch)

 

Was Chefs nicht dürfen – und was doch
von Sabine Hockling und Ulf Weigelt
Ullstein Verlag (1. Auflage, Juni 2017)
9,99 Euro (D)
ISBN 978-3-548-37694-3

 


Wir übernehmen keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Rechtsinhalte. Insbesondere ersetzten die Beiträge grundsätzlich nicht eine fachkundige Rechtsberatung.


 

Wir sind der Wandel-Newsletter

Tina Groll

Tina Groll, SPIEGEL-Bestsellerautorin und Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft, konzentriert sich als Autorin von WIR SIND DER WANDEL auf Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren” aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat und Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union.