Bewerbungswege, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen, haben größtenteils ausgedient. Bewerbungsunterlagen beispielsweise werden heute in Minutenschnelle gescannt – und oft nicht einmal mehr von Menschen.
Die Diplom-Ökonomin Petra Barsch berät seit zehn Jahren Fachkräfte, Projektmitarbeiter und Führungskräfte. Wichtig dabei ist Barsch, sie so zu positionieren, dass sie ihre Karriere proaktiv angehen, sich zukunftsfähig aufstellen und für Unternehmen attraktiv bleiben. Denn Bewerbungswege, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen, haben größtenteils ausgedient.
Die Ratgeber: Die Bedingungen und Anforderungen im Arbeitsmarkt verändert sich. Nach welchen Kriterien werden heute Stellen besetzt?
Petra Barsch: Auch wenn sich die Anforderungen und Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt ändern, gelten in den meisten Unternehmen immer noch Abschlüsse, Berufserfahrung und Aktualität des Wissens als die entscheidenden Kriterien.
Vor der fachlichen Bewertung müssen zunächst die formalen Hürden genommen werden, wie eine seriöse Mailadresse, Größe und Kleinteiligkeit des Anhangs. Ein Anhang sollte zum Beispiel nicht größer als maximal drei MB sein. Sowie ein ansprechendes Foto, wobei man nie genau weiß, was denjenigen gerade anspricht, der auf der Entscheiderseite sitzt.
Im Anschluss wird der Lebenslauf unter die Lupe genommen. Doch bevor die fachliche Eignung geprüft wird, werden zuerst Lückenlosigkeit, Wechselhäufigkeit, Familienverhältnisse (bei Frauen) oder der sogenannte rote Faden – also die Plausibilität in der beruflichen Entwicklung – gescannt. Das alles passiert in Minutenschnelle und heute oft nicht einmal mehr durch Menschen.
Die nächste Stufe des Vorauswahlprozesses ist der Abgleich der fachlichen Anforderungen. Die hier zugrundeliegenden Kriterien erstellt jedes Unternehmen nach eigenen Anforderungen. Zugrunde gelegt wird meist die viel zitierte eierlegende Wollmilchsau. Das heißt, in die Anforderungen wird erstmal alles gepackt, was heute so „up to date“ ist – mit der Hoffnung, den Allerbesten zu finden. Außer acht wird dabei aber oft gelassen, dass der Allerbeste vielleicht nicht der Passendste ist.
Dass das in der Vergangenheit nicht immer gut ging, zeigen Untersuchungen, die von bis zu einem Drittel Fehlbesetzungen ausgehen. Unternehmen reagieren darauf mit dem Kriterium „cultural fit“, der kulturellen Passung des Bewerbers an Unternehmensziele und -werte. Demzufolge sind heute neben der fachlichen Eignung, die richtigen Fähigkeiten sowie die kulturelle Eignung wesentliche Auswahlkriterien.
“Die endgültige Einstellungsentscheidung wird in der Regel von der Fachabteilung getroffen”
Die Ratgeber: Wie kommen Einstellungsentscheidungen zustande?
Barsch: Auf diese Kriterien einigen sich im Vorfeld die Fachabteilung in Absprache mit der Personalabteilung – so die Theorie. Häufig ist es jedoch so, dass allein die Fachabteilung die Kriterien für den Wunschkandidaten bestimmt. Diese werden dann an die Personalabteilung zur Vorauswahl der Kandidaten weitergegeben. Hier kommt es aber immer wieder zu Missverständnissen, denn oft haben Bewerber in den Vorstellungsgesprächen das Gefühl, dass beide Seiten von unterschiedlichen Stellen sprechen.
Nicht immer ist jedoch die Personalabteilung für die erste Vorauswahl verantwortlich. Es gibt Fälle, in denen zum Beispiel der Empfang die erste Sichtung vornimmt. Immer häufiger aber erledigen Computer diese Arbeit und dann hängt die Vorauswahl von der Sorgfalt ab, die in das Anforderungsprofil gesteckt wurde.
Die endgültige Einstellungsentscheidung wird in der Regel von der Fachabteilung getroffen, die den Kandidaten im Vorstellungsgespräch fachlich und menschlich geprüft hat. Und hier kommen beim Entscheider oft noch Kriterien zum Tragen, die in keiner Stellenausschreibung stehen, sondern oft irgendwo im Bauch angesiedelt sind.
Die Ratgeber: Nach welchen unausgesprochenen Kriterien entscheiden Personalverantwortliche?
Barsch: Unausgesprochene Kriterien ergeben sich aus den unterschiedlichsten Gründen. Zum einen kann es sein, dass ein Entscheider den Neuen oder die Neue in ein bestehendes Team integrieren möchte, dem ein bestimmter Charakter fehlt. Beispielsweise kann für ein eher inhomogenes Team mit viel Zündpotential ein Teammitglied gesucht werden, das ausgeglichen ist und für mehr Harmonie sorgt. Es kann aber auch sein, dass die Persönlichkeit des Chefs für eine hohe Fluktuationsquote sorgt und man nun jemanden sucht, der mit einem solchen Charakter arbeiten kann. Ein Unternehmen suchte zum Beispiel im wahrsten Sinne des Wortes einen Puffer zwischen dem Geschäftsführer und den leitenden Angestellten, der eine Kommunikation ermöglichte. Es können also echte betriebliche Bedürfnisse hinter den unausgesprochenen Kriterien stehen, die kein Unternehmen so an die Öffentlichkeit trägt.
Es gibt aber auch Kriterien, über die niemand spricht, weil es Unverständnis hervorrufen würde. Eine meiner Klientinnen wurde einmal zu einem Gespräch eingeladen, weil sie in derselben Straße wohnte, wie der Entscheider. Und der meinte, in der Straße wohnen nur gute Leute.
Ein anderes mir bekanntes Entscheidungsmerkmal sind Hobbys wie Marathonlaufen, der Besitz eines Segelscheins oder andere Sportarten. Meine Krimileidenschaft führte in der Vergangenheit oft dazu, dass sich Personalentscheider auf das Gespräch mit mir gefreut haben.
So, wie das Kriterien für eine Einladung sein können, gibt es aber auch eine Reihe Faktoren, die sich ganz deutlich negativ auswirken. So kann ein BMI über 30, kleine Kinder oder ein Alter über 50 zur Absage führen. Denn, auch wenn allerorts von Fachkräftemangel die Rede ist, hat sich noch nicht überall etwas daran geändert, solche Merkmale zu übersehen.
“Der Suchende muss zuerst bei sich selbst anfangen”
Die Ratgeber: Wie können sich Quer-, Wieder- und Berufseinsteiger positionieren?
Barsch: Quer-, Wieder- und Berufseinsteiger haben es nicht einfach, denn bei vielen von ihnen kommen mehrere Kriterien zusammen bzw. sie haben noch nicht viel vorzuweisen. Deshalb gibt es hier für mich nur einen Weg: Der Suchende muss zuerst bei sich selbst anfangen. Nur wenn der Einsteiger in der Lage ist, seine Fähigkeiten klar zu benennen, seine Wünsche zu formulieren und die Bedingungen, unter denen er seine Arbeit verrichten möchte, kennt, kann er dies einem möglichen Arbeitgeber wirksam kommunizieren. Es bringt gar nichts, sich nach den Anforderungen in Stellenausschreibungen zu strecken.
Sieben Tipps für einen erfolgreichen Weg in den Job:
- Die eigenen Stärken bewusst machen: Das größte Erfolgspotenzial liegt nun einmal dort, wo unsere Stärken, Talente und besonderen Fähigkeiten liegen.
- Nutzen für den Arbeitgeber herausstellen: Nur ein Angebot mit einem konkreten Nutzen für den Arbeitgeber lässt sich auch gut vermarkten.
- Eigene Wünsche kennen und berücksichtigen: Die Einbeziehung der eigenen Wünsche und Vorstellungen bedeutet, den eigenen Lebenslauf nicht dem Zufall zu überlassen.
- Gehaltsvorstellungen kennen und klar kommunizieren.
- Die eigene Persönlichkeit leben: Der Arbeitsmarkt entwickelt sich unaufhörlich weiter. Was heute Erfolg versprechend ist, ist es zukünftig vielleicht nicht mehr. Und auch persönliche Lebensumstände ändern sich. Deshalb gehört es dazu, sich regelmäßig zu fragen, ob der beruflich Weg noch der Richtige ist.
- Lernen Sie mit Rückschlägen umzugehen. Erfolgreich kann nur sein, wer es schafft nach Rückschlägen – und die kommen so sicher wie Absagen – lernt, schneller sich zu sammeln und wieder an eine neue Chance heranzugehen.
- Die aktive Jobsuche nutzen heißt, aktiv auf das Netzwerk und den Wunscharbeitgeber zuzugehen und es nicht dem Zufall zu überlassen, ob die eigene Bewerbung aus dem Stapel gefischt wird.
Erfolgreich wird derjenige sein, der sich klar positioniert und seine Berufsvita im Einklang mit sich gestaltet. Denn das Handeln gegen die eigenen Überzeugungen, Fähigkeiten und die eigene Natur führt selten zu einem erfolgreichen und sinnerfüllten Leben und Arbeiten.
Jobhunting: Geht doch! Karriere mit Knicken
von Petra Barsch
Business Village (1. Auflage, Oktober 2016)
17,99 Euro
ISBN 9783869803517