Bedingungsloses Grundeinkommen: Studie widerlegt Mythos der sozialen Hängematte

Mann mit einem Post-it auf der Stirn, auf dem Be Happy steht

Eine dreijährige Studie zeigt: Bedingungslose Geldzahlungen beeinflussen das Arbeitsverhalten kaum, verbesserten aber die mentale Gesundheit und Lebenszufriedenheit deutlich.

Wer regelmäßig bedingungslos Geld erhält, bleibt im Arbeitsmarkt aktiv und wird mental gesünder. Das zeigt das Pilotprojekt Grundeinkommen, bei dem über 120 Menschen drei Jahre lang monatlich 1.200 Euro erhielten. Der Verein Mein Grundeinkommen finanzierte dies aus Spenden. Die unabhängige wissenschaftliche Auswertung erfolgte durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und die Wirtschaftsuniversität Wien. Die Forschenden untersuchten, wie sich die Zahlungen auf Arbeitsmarktteilnahme, Konsum und Wohlbefinden auswirken.

Die Ergebnisse des Experiments, das im Juni 2021 in Deutschland begann, belegen, dass die Empfänger:innen ihr Arbeitsmarktverhalten kaum änderten. Sie zogen sich nicht vom Arbeitsmarkt zurück und reduzierten ihre Arbeitsstunden nicht signifikant. „Die Resultate widerlegen gängige Mythen über das bedingungslose Grundeinkommen, insbesondere die Vorstellung, dass es zu einem Rückzug aus dem Arbeitsmarkt kommt“, sagt Studienautor Jürgen Schupp, Wissenschaftler im Geschäftsbereich Sozio-oekonomisches Panel des DIW Berlin. „Unsere Studie zeigt das Gegenteil – die Teilnehmer blieben aktiv im Arbeitsmarkt und nutzten die Zahlungen in einer Weise, die auf Verantwortung und Fürsorge hinweist.“

Bedingungslose Geldzahlungen dienen nicht nur der persönlichen Konsumsteigerung

Über ein Drittel der Zahlungen wurde gespart. Die Teilnehmenden legten mehr als doppelt so viel zurück wie die Vergleichsgruppe von 1.580 Personen. Zudem gaben sie sieben Prozent der Zahlungen für Familie, Freunde oder wohltätige Zwecke aus. „Es ist bemerkenswert, dass die Teilnehmer so viel sparten und gleichzeitig auch anderen in ihrem sozialen Umfeld halfen. Dies unterstreicht, dass bedingungslose Geldzahlungen nicht nur der persönlichen Konsumsteigerung dienen“, erklärt Studienautorin Sandra Bohmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Staat im DIW Berlin.


Details zum Pilotprojekt Grundeinkommen

Im Pilotprojekt Grundeinkommen erhielten 122 Menschen in Deutschland von Juni 2021 bis Mai 2024 monatlich 1.200 Euro monatlich. Die Studie basiert auf den Angaben von 107 Empfänger:innen und 1.580 Personen einer Vergleichsgruppe. Beide Gruppen wurden regelmäßig zu Geldverwendung, Arbeitsverhalten und Wohlbefinden befragt. Die unabhängige Forschung führten DIW Berlin, der Wirtschaftsuniversität Wien, die Frankfurt School of Finance and Management und der Universität Oxford durch.


Höhere Lebenszufriedenheit und bessere mentale Gesundheit

Ein zentrales Ergebnis ist die signifikante Verbesserung des Wohlbefindens der Empfänger:innen. Ihre Lebenszufriedenheit stieg um 42 Prozent einer Standardabweichung. „Bemerkenswert ist außerdem, dass dieser Effekt über den gesamten Studienverlauf sehr stabil blieb und es nicht zu Gewöhnungseffekten kam“, sagt Studienautorin Susann Fiedler, Professorin für Business and Psychology an der Wirtschaftsuniversität Wien. Auch die mentale Gesundheit verbesserte sich um 30 Prozent einer Standardabweichung. „Dieser Anstieg bei der Lebenszufriedenheit und der mentalen Gesundheit ist insbesondere in Zeiten, wo die Krankschreibungen wegen psychischer Krankheiten zunehmen, sehr erfreulich“, ergänzt Fiedler.


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Die Studie widerlegt das Stereotyp, dass ein Grundeinkommen zur „sozialen Hängematte“ führt, und trägt zur Versachlichung der Debatte bei. Die Corona-Pandemie zeigte, wie wichtig Geldauszahlungen in Krisenzeiten sind. „Ein staatlicher Direktauszahlungsmechanismus könnte in Zeiten wirtschaftlicher Umwälzungen den Bürger:innen helfen, mit mehr Selbstvertrauen und Zuversicht in die Zukunft zu blicken“, so Bohmann. „Da aufgrund des demografischen Wandels in den nächsten Jahren Deutschlands Sozialsysteme umgebaut werden müssen, sollte eine evidenzbasierte und ergebnisoffene Debatte alle Reformoptionen in den Blick nehmen – auch wenn das bedingungslose Grundeinkommen aktuell nicht auf der Agenda der politischen Parteien steht“, ergänzt Schupp.

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