Kaum finanzielle Unterstützung für Beschäftigte im Home-Office

Blick vom Schreibtisch auf Skyline

Seit Corona ist das Home-Office zur Normalität geworden. Laut dem neuen DGB-Index Gute Arbeit, der heute veröffentlich wird, bleiben Mitarbeitende allerdings oft auf ihren Kosten sitzen.

Seit Beginn der Corona-Pandemie haben sich die Arbeitsbedingungen in Deutschland in vielen Bereichen verschlechtert. Das stellt der neue Index Gute Arbeit des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) fest. Der DGB untersucht seit vielen Jahren, wie sich die Arbeitsbedingungen und die Zufriedenheit der Beschäftigten in Deutschland mit ihren Jobs verändert. Die neueste Ausgabe der Studie hat das erste Halbjahr 2021 untersucht und kommt zu einem teils sehr negativen Ergebnis: So haben sich nur die Arbeitslast und vor allem die Arbeitsverdichtung für viele Beschäftigte in der ersten Jahreshälfte zugenommen. Viele haben auch deutlich höhere Ausgaben für Strom, Internet, technische Geräte – ohne Kompensation vom Arbeitgeber. Das liegt vor allem am Home-Office: Ein Drittel der Befragten arbeitete sehr häufig von zu Hause, für mehr als die Hälfte war dies erst seit Pandemiebeginn der Fall.

Viele Beschäftigte hatten in der Pandemie zudem keine Gehaltszuwächse, sondern vielmehr finanzielle Einbußen – etwa, weil sie wegen geschlossener Schulen und Kitas nur das Krankengeld für die ausgeweiteten Kinderkrankheitstage für berufstätige Eltern in Anspruch nehmen konnten. Andere waren zeitweilig in Kurzarbeit. Und so haben sich die Arbeitsbedingungen in Deutschland das erste Mal seit 2012, als die Studie erstmals durchgeführt wurde, nicht weiter verbessert.

Nicht nur Abbild einer Ausnahmesituation

“Die Ergebnisse sind jedoch nicht nur die Bestandsaufnahme einer Ausnahmesituation, sondern zeigen zugleich Anforderungen an die Gestaltung der Arbeit der Zukunft”, fasst DGB-Chef Reiner Hoffmann die Ergebnisse zusammen. Denn die Studie zeigt auch, wie stark die Digitalisierung zugenommen hat, und dass viele Transformationsprozesse unumkehrbar sind. Fast jeder zweite Befragte gab an, dass neue Software eingeführt worden sei. Viele berichteten, dass diese Tools künftig dauerhaft genutzt würden.

Auffällig ist jedoch, dass oft zwar Software, aber nicht im gleichen Maße auch Hardware eingeführt wurde. So sagte die Hälfte der Befragten, dass sie ihre privaten Geräte wie Handy, Laptop oder Drucker für die Arbeit nutzten. Vor der Pandemie hatte die Mehrheit Geräte des Arbeitgebers verwendet. “Die Digitalisierung der Arbeit beruht zu einem wesentlichen Teil auf den privaten Ressourcen der Beschäftigten”, interpretiert der DGB dieses Phänomen. Zudem stellt die Studie fest, dass die Nutzung von privaten Geräten dann umso verbreiteter war, wenn das Unternehmen in den vorangegangenen Monaten neue digitale Arbeitsmittel angeschafft hatte. So nutzten 54 Prozent der Beschäftigten ihre Privatgeräte, wenn der Betrieb neue Software eingesetzt hatte.

Viele Unternegmen planen die dauerhafte Ausweitung von Home-Office-Arbeit

Eine finanzielle Unterstützung durch die Arbeitgeber findet laut der Studie nur sehr selten statt. Denn nur fünf Prozent der Befragten erhielten einen finanziellen Zuschuss, ganze 91 Prozent gar nichts. Dabei war für viele das dauerhafte Home-Office keine Verbesserung, denn 43 Prozent der Befragten hatten kein Arbeitszimmer. Sie arbeiteten im Wohn-, Schlafzimmer oder Essbereich.

Stattdessen ist besonders in größeren Betrieben geplant, durch die dauerhafte Ausweitung von Home-Office-Arbeit Büroflächen einzusparen. “Diese Strategie wird vor allem in größeren Unternehmen und einzelnen Branchen verfolgt”, heißt es in der Studie. So gaben 38 Prozent der Befragten aus Finanz- und Versicherungsdienstleistungen an, dass ihr Betrieb beabsichtigt, Büroflächen zu reduzieren, weil die Beschäftigten mehr von zu Hause aus arbeiten.

Die Gewerkschaften leiten daraus einen Handlungsbedarf ab – etwa Betriebs- und Personalräte darin zu schulen, noch stärker auf Gesundheitsprävention zu achten und diese auch in ihren Unternehmen einzufordern. Und zwar auch dann, wenn ein Großteil der Beschäftigten dauerhaft mobil arbeitet.

Unternehmen müssen mehr für den Arbeits- und Gesundheitsschutz tun

So raten die Gewerkschaften zu Betriebsvereinbarungen, die das Arbeiten im Home-Office regeln. Im DGB-Index heißt es dazu: “Wo es Regeln zum Home-Office gab, hatten Beschäftigte einen größeren Einfluss auf die Arbeitszeitgestaltung. Entgrenzung, ständige Erreichbarkeit und unbezahlte Arbeit traten seltener auf.” Immerhin: Bei der Hälfte der Befragten aus der Studie gab es eine solche Regelung. Auch machten diese Mitarbeitenden deutlich weniger Überstunden. Befragte, die keine solche Vereinbarung im Unternehmen hatten, mussten deutlich häufiger am Wochenende arbeiten oder für den Arbeitgeber auch außerhalb der regulären Arbeitszeit erreichbar sein. Außerdem war bei diesen Beschäftigten der Anteil der unbezahlten Überstunden höher.

Aber nicht alles im Home-Office war schlecht. In der Befragung gaben immerhin ein Viertel der Beschäftigten an, dass sie mit einem schlechten Gefühl zur Arbeit gegangen waren – ihre Unternehmen hätten nur unzureichend für ihren Schutz gesorgt. Betroffen waren vor allem Menschen, für deren Arbeit Präsenz im Betrieb erforderlich war wie etwa in Kitas. Denn unter Erzieherinnen und Erziehern waren Ansteckungssorgen besonders weit verbreitet. Wer im Home-Office tätig war, fühlte sich besser geschützt. Insgesamt fühlte sich fast ein Drittel der Menschen, die vor Ort beim Arbeitgeber arbeiten mussten, nur schlecht geschützt. Bei den Mitarbeitenden im Home-Office waren es hingegen nur 14 Prozent.

Die Untersuchung gilt als repräsentativ. Befragt wurden mehr als 6.400 abhängig Beschäftigte im Zeitraum von Januar bis Juni 2021 – und somit während der zweiten und dritten Infektionswelle der Pandemie.

Tina Groll

Tina Groll, SPIEGEL-Bestsellerautorin und Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft, konzentriert sich als Autorin von WIR SIND DER WANDEL auf Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren” aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat und Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union.