Kaum Interesse an Weiterarbeit nach der Rente

Mann sitzt auf Bank

Trotz der Neuregelung der Zuverdienstgrenzen für Frührentnerinnen und -rentner seit Anfang des Jahres bleibt das Interesse an einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit verhalten. Wer nicht muss, hat wenig Interesse.

Das ergab eine YouGov-Umfrage im Auftrag des Autozulieferers Continental. Lediglich etwa jede und jeder fünfte Befragte signalisierte Bereitschaft, nach dem Renteneintritt zumindest in Teilzeit weiterzuarbeiten. Continental-Personalvorstand Ariane Reinhart äußerte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur Skepsis: “Das wird keinen großen Ansturm geben.”

Cover für Überall, nur nicht im BüroSeit dem Jahreswechsel dürfen Rentnerinnen und Rentner unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass die Rentenbezüge gekürzt werden. Dies betrifft vor allem Personen, die von der Rente mit 63 Gebrauch gemacht haben. Dennoch zeigt die YouGov-Umfrage, die rund 1.000 Personen zwischen 58 und 67 Jahren einschloss, dass nur 22 Prozent der Befragten in Teil- oder Vollzeit weiterarbeiten möchten. Demgegenüber äußerten 43 Prozent den Wunsch, bereits vor dem Erreichen des Rentenalters gänzlich aus dem Berufsleben auszusteigen.

“Das sind die Fachkräfte, die uns jetzt fehlen”

Reinhart kritisierte die abschlagsfreie Rente mit 63 für langjährig Beschäftigte. Sie wird hauptsächlich von Fachkräften mit mittlerem Einkommen genutzt, die der Wirtschaft nun fehlen. “Das sind die Fachkräfte, die uns jetzt fehlen. Das können wir uns auf Dauer nicht leisten, auf dieses Wissen zu verzichten”, so Reinhart. Sie fordert die Bundesregierung zur Überprüfung der Regelungen auf, insbesondere angesichts des Fachkräftemangels.

Wir sind der Wandel-NewsletterInteressant ist die Tatsache, dass die Bereitschaft, im Alter länger zu arbeiten, bei der Einkommensgruppe über 10.000 Euro am höchsten war (51 Prozent), gefolgt von Geringverdienern mit weniger als 500 Euro Monatsverdienst (36 Prozent). Reinhart sieht hier unterschiedliche Beweggründe: Während Geringverdienerinnen und -verdiener sich das vorzeitige Ausscheiden aus dem Berufsleben finanziell nicht leisten können, sind Spitzenverdienerinnen und -verdiener aus Interesse an ihrer Aufgabe motiviert.

Die Regelungen gehen am Ziel vorbei

Der Versuch, den Fachkräftemangel durch Anreize für Rentnerinnen und Rentner zu bekämpfen, scheint demnach nur begrenzt erfolgreich. “Die Bundesregierung sollte sich hier endlich ehrlich machen. Wenn ich nach acht Jahren sehe, dass die Regelung am Ziel vorbeigeht, muss ich sie ändern. Vor allem, wenn wir Fachkräftemangel haben”, so Reinhart.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.