Selbstständigen-Report 2024: Selbstbestimmung motiviert, Bürokratie bremst, KI bleibt ungenutzt

Person springt von einer Sanddüne

Der erstmals 2018 veröffentlichte Selbstständigen-Report zeigt sechs Jahre später, wie sich die Stimmung der Selbstständigen verändert hat und welche Themen und Herausforderungen sie heute beschäftigen.

Wirtschaftliche Lage der Selbstständigen verschlechtert

Rund 55 Prozent der befragten Selbstständigen bewerten ihre wirtschaftliche Lage als gut bis hervorragend. Im Vergleich zu 2018, als noch 60 Prozent diese Einschätzung teilten, zeigt sich ein Rückgang. In elf von 16 Bundesländern hat sich die wirtschaftliche Lage der Unternehmen in den letzten sechs Jahren verschlechtert.

In Brandenburg ist der Rückgang am deutlichsten: 2018 waren 69 Prozent der Selbstständigen sehr zufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Situation, heute sind es nur noch 43 Prozent. Damals führte Brandenburg die Liste an, heute bildet es das Schlusslicht.

Stundensätze: Hamburg am teuersten, Brandenburg am günstigsten

Auch bei den Stundensätzen liegt Brandenburg hinten. Rund 14,7 Prozent der Selbstständigen dort berechnen höchstens 20 Euro pro Stunde. Im Durchschnitt liegt der Stundensatz in Brandenburg bei 68 Euro, vor Mecklenburg-Vorpommern (59 Euro), Thüringen (66 Euro) und Sachsen-Anhalt (67 Euro).

Hamburg führt bei den Stundensätzen: Rund sieben Prozent der Selbstständigen dort verlangen mehr als 201 Euro auf. Im Durchschnitt liegt der Stundensatz in Hamburg bei 117 Euro.

Frauen sind in der Selbstständigkeit unterrepräsentiert und stellen weniger in Rechnung als ihre männlichen Kollegen. Die meisten Frauen verlangen zwischen 51 und 75 Euro pro Stunde, die meisten Männer zwischen 76 und 100 Euro. Im Durchschnitt liegt der Stundensatz bei den Frauen bei 91 Euro, bei Männern bei 98 Euro. Immerhin hat sich der Stundensatz-Gap verringert: 2018 lag der durchschnittlichen Stundensatz bei Frauen bei 63 Euro, bei Männern bei 78 Euro.

KI-Tools wenig genutzt – Frauen häufiger als Männer

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtMehr als die Hälfte der Selbstständigen nutzt keine KI-Tools. Je höher der Bildungsabschluss desto höufiger werden KI-Tools genutzt. 44 Prozent der Frauen nutzen KI-Tools, aber nur 38 Prozent der Männer. Bei den 20- bis 39-jährigen nutzen 58 Prozent der Frauen und 53 Prozent der Männer KI-Tools. Unter den 50- bis 65-Jährigen sind es 42 Prozent der Frauen und 35 Prozent der Männer.

In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt nutzen besonders wenige Selbstständige KI-Tools: In Mecklenburg-Vorpommern nur 12 Prozent, KIin Brandenburg und Sachsen-Anhalt rund 28 Prozent. In Bremen, Hamburg und Berlin nutzen rund die Hälfte der Selbstständigen KI-Tools.

Trotz der geringen Nutzung von KI glauben 44 Prozent der Selbstständigen, dass in 20 Jahren mindestens die Hälfte ihrer Arbeit durch Software oder Maschinen erledigt wird. Vor sechs Jahren glaubten das nur 17,1 Prozent.

Bürokratie und Wertschätzung – Hürden für die Selbstständigkeit

Für die meisten Selbstständigen ist die Bürokratie der Hauptnachteil. Rund 66 Prozent sehen das so, 2018 waren es 59 Prozent. Zudem mangelt es an Wertschätzung durch die Politik: 87 Prozent fühlen sich wenig bis gar nicht respektiert, 51 Prozent gar nicht. 2018 waren es 85 Prozent, davon 43 Prozent gar nicht. Bei der Wertschätzung durch Kund:innen und Umfeld sieht es besser aus: 81 Prozent fühlen sich von ihren Kund:innen stark wertgeschätzt, 74 Prozent vom privaten Umfeld.

Rund 83 Prozent der Selbstständigen sehen erheblichen Verbesserungsbedarf bei der sozialen Absicherung. 2018 lag der Anteil bei 82,4 Prozent. Die Unzufriedenheit bleibt unverändert.

Die größte Unzufriedenheit äußern AfD-Wähler:innen (87 Prozent), gefolgt von FDP-Wähler:innen (85 Prozent) und Grünen-Wähler:innen (80 Prozent). In den meisten Bundesländern sind nur ein und vier Prozent der Selbstständigen mit der sozialen Absicherung zufrieden. In Sachsen-Anhalt sind es neun Prozent.

Die meisten sind zufrieden mit ihrer Entscheidung, selbstständig zu sein

Rund 88 Prozent der Befragten würden sich wieder selbstständig machen. Selbstbestimmtes Arbeiten und flexible Arbeitszeiten sind die Hauptmotivationen. Diese Motive verlieren jedoch an Gewicht: 2018 gaben 45 Prozent das selbstbestimmte Arbeiten als Hauptmotivation an, heute sind es 30 Prozent. Flexible Arbeitszeiten nannten 2018 27 Prozent, heute 23 Prozent.

„Unternehmer und Selbstständige sind mit höheren Kundenanforderungen konfrontiert. Das Geschäftsklima hat sich nach Corona und Energiekrise merklich verschlechtert und das Geschäftsumfeld ist für Selbstständige herausfordernder und restriktiver geworden. Selbstverwirklichung bleibt zwar Motiv Nr. 1 für die Selbstständigkeit, im täglichen Doing geht es aber dann um die Akquise des nächsten Auftrags“, sagt Dr. Oliver Stettes, Leiter Themencluster Arbeitswelt und Tarifpolitik vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln.


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Jahresumsatz 2024 – Erwartungen der Selbstständigen

Frauen erwarten tendenziell weniger Umsatz als ihre männlichen Kollegen. Der entscheidende Punkt liegt bei einem erwarteten Jahresumsatz von 60.000 Euro: Frauen erwarten häufiger einen Umsatz bis zu 60.000 Euro, Männer darüber.

2018 erwarteten fast die Hälfte der Männer Umsätze zwischen 60.000 Euro und 240.000 Euro, bei den Frauen war es nur ein Viertel. Heute hat sich die Zahl der Frauen in diesem Umsatzsegment um zehn Prozentpunkte auf 34,8 Prozent erhöht. Unter den Selbstständigen, die mehr als 240.000 Euro umsetzen, sind Männer noch rund zweieinhalbmal häufiger vertreten.

Rund die Hälfte der selbstständigen Frauen mit Hochschulabschluss hat Kinder. Viele Frauen arbeiten weniger Wochenstunden als Männer: 27 Prozent der Frauen arbeiten zwischen 30 und 39 Stunden pro Woche, aber nur 12 Prozent der Männer. Im Bereich zwischen 40 und 49 Stunden pro Woche arbeiten 29 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer. Mehr als 50 Stunden pro Woche arbeiten nur 24 Prozent der Frauen, aber 43 Prozent der Männer.

Steuerberatung? Nein Danke!

Rund 32 Prozent der Befragten verzichten auf Steuerberatung. 20218 waren es 25 Prozent. Digitale Tools und Softwarelösungen tragen dazu bei, dass viele buchhalterische und steuerliche Aufgaben selbst erledigt werden. „Wer sich dafür entscheidet, ganz auf professionelle Hilfe zu verzichten, sollte sicherstellen, dass er sich gut informiert und vor allem die richtige Software zur Hand hat. Moderne Steuerprogramme bieten eine Vielzahl an unterstützenden Funktionen, die Fehler vermeiden helfen und die Prozesse vereinfachen. Immer mehr Menschen, und dabei insbesondere Selbstständige und Freiberufler, erkennen den Vorteil digitaler Lösungen, die Zeit sparen und Komplexität verringern. Die steigende Akzeptanz ist nach unserer Einschätzung wesentlich auf die verbesserte Nutzungsfreundlichkeit, die Integration von KI-basierten Funktionen und die Möglichkeit, schnell und einfach steuerliche Angelegenheiten selbst zu regeln, zurückzuführen. Steuerberatung sollte vor allem dann hinzugezogen werden, wenn komplexe steuerliche Sachverhalte vorliegen, wie zum Beispiel bei größeren Unternehmensumstrukturierungen, internationalen Geschäftsaktivitäten oder bei der Nutzung spezieller steuerlicher Gestaltungsoptionen. In solchen Fällen kann die punktuelle Expertise einer Fachkraft helfen, rechtliche und finanzielle Risiken zu minimieren und das Optimum aus der steuerlichen Situation herauszuholen“, sagt Peter Schmitz, Geschäftsführer von WISO Steuer.

Die Macher der Studie sind beeindruckt

Fin Glowick, CRO bei WISO MeinBüro, zeigt sich zufrieden: „Ich bin sehr froh darüber, dass wir den Selbstständigen-Report in einer zweiten Auflage veröffentlichen. Seither gab es so viele Einflüsse – die Pandemie, die Energiekrise. Daher sind die Ergebnisse umso spannender. Ich finde es wichtig, den Selbstständigen in Deutschland eine Stimme zu geben und auf ihre Lage und Meinung aufmerksam zu machen. Mit dem Report können wir dies erreichen.“

Dr. Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des VGSD e.V., ergänzt: „Solo- und Kleinstunternehmen bis neun Mitarbeitende machen 89 Prozent der Unternehmen in Deutschland aus. In diesem Bereich sind zehnmal so viele Menschen erwerbstätig wie in der Automobilindustrie. Selbstständige Expertinnen und Experten tragen neues Wissen in die Unternehmen und spielen eine zentrale Rolle für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Der Selbstständigen-Report zeigt jedoch ein Missverhältnis zwischen der hohen Wertschätzung, die Selbstständige von ihren Kunden erhalten, und der fehlenden Wertschätzung durch die Politik. 87 Prozent fühlen sich wenig oder gar nicht respektiert. Mit dem Report erhoffe ich mir mehr Aufmerksamkeit und Verständnis den Unternehmern und Unternehmerinnen gegenüber.“


Gemeinsam mit dem Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e. V. (VGSD) veröffentlicht WISO MeinBüro im Selbstständigen-Report 2024 spannende Fakten und Hintergründe zu selbstständigen Unternehmer:innen in Deutschland. Basis des „Selbstständigen-Report 2024“ ist eine Online-Umfrage unter mehr als 2.100 Teilnehmenden. Die Befragung fand von Februar bis Mai 2024 statt. Teilgenommen haben Freiberufler:innen, Einzelunternehmer:innen und Inhaber:innen kleiner Personen- und Kapitalgesellschaften aus Deutschland.


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