Selbstständigkeit auf dem Rückzug

Schriftzug OUT auf Straße

Die Zahl der Erwerbsgründungen ist in Deutschland erneut gesunken. Ein jahrelanger Trend hält damit an. Die größte Gruppe sind dabei die Solo-Selbstständigen.

Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamts geht der seit zwölf Jahren anhaltende Trend des Rückgangs der Selbstständigkeit in Deutschland weiter. Im vergangenen Jahr sank die Gesamtzahl der Selbstständigen, einschließlich mithelfender Familienangehöriger, um 30.000 Personen auf 3,9 Millionen, so die Wirtschaftswoche. Dies markiert einen deutlichen Rückgang im Vergleich zum Jahr 2010, als noch mehr als 4,5 Millionen Menschen in Deutschland selbstständig tätig waren.

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtDie aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts schlüsseln dabei nicht auf, wie sich die verschiedenen Formen der Selbstständigkeit entwickelt haben. Andere Quellen – wie zum Beispiel vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung – zeigen einen besonders starken Rückgang der Solo-Selbstständigkeit, so die Wirtschaftswoche weiter. Demnach nahm die Zahl der Solo-Selbstständigen zwischen 2005 und 2021 um rund 640.000 ab, während die Zahl der Selbstständigen mit Beschäftigten nur um knapp 170.000 zurückging.

Wer heute gründet, tut das als bewusste Entscheidung

Ein Teil des Rückgangs ist auf demografische Faktoren zurückzuführen: Die Altersgruppe der 30- bis 40-Jährigen, aus der die meisten Unternehmerinnen und Unternehmen hervorgehen, schrumpft. Zusätzlich dürfte der auffällige Rückgang der Solo-Selbstständigen mit den gesunkenen Förderungen zusammenhängen, berichtet die Wirtschaftswoche weiter. Im Jahr 2005 erhielten über 300.000 Selbstständige staatliche Zuschüsse, während heute nur noch rund 20.000 Existenzgründungen pro Jahr gefördert werden.

Hinzu kommt die Lage auf auf dem Arbeitsmarkt: Menschen, die sich als Alternative zu Arbeitslosigkeit selbstständig gemacht haben, finden heute viel leichter wieder eine abhängige Tätigkeit. Wer heute gründet, tut das als bewusste Entscheidung und weil er oder sie die Selbständigkeit und das Unternehmertum freiwillig wählt. So zeigt beispielsweise der KfW-Gründungsmonitor, dass Gründungen zunehmend aus Überzeugung statt aus Not entstehen, heißt es in dem Bericht. Im Jahr 2006 gaben 45 Prozent der Gründer an, keine bessere Erwerbsalternative zu haben, während es 2022 nur noch 24 Prozent waren. Und auch wenn die Zahl der Gründungen innerhalb von 20 Jahren von knapp 1,5 Millionen auf 550.000 pro Jahr zurückgingen, die höhere Überzeugung bei Gründerinnen und Gründern könnte ihre Geschäftsideen stärken und die Überlebenschancen ihrer Unternehmen verbessern.

Neugründung statt Übernahme

Die meisten Gründerinnen und Gründer entscheiden sich laut dem Gründungsmonitor für die Gründung neuer Unternehmen anstelle der Übernahme bestehender. Während dies zunächst als positiver Trend erscheint, stellt dies für viele Familienunternehmen, die mit Nachfolgesorgen kämpfen, ein zusätzliches Problem dar. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) betrachtet die Entwicklung der Selbstständigkeit mit Sorge angesichts der Herausforderungen für Familienunternehmen.

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Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.