Führungskräfte machen sich bei Fehlern etwas vor

Mann schaut aus Bürogebäude runter

“Wir gehen transparent mit Fehlern um!” – Bei kaum einem Thema irren sich Führungskräfte so sehr wie bei der Einschätzung der Fehlerkultur.

Ein transparenter und entspannter Umgang mit Fehlern – das ist das Ziel einer guten Fehlerkultur in wohl jedem Unternehmen. Natürlich möchte man die Dinge, die schief laufen, so gering wie möglich halten. Zugleich ist das Ziel auch, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu anzuhalten, aus ihren Fehlern möglichst zu lernen und Qualität abzuliefern.

Doch der Wandel von einer Unternehmenskultur, in der Fehler sanktioniert und bestraft werden und Beschäftigte aus Angst vor Nachteilen gar nicht erst zugeben, dass sie Bockmist gebaut haben hin zu einer Kultur der wertschätzenden Offenheit und sachlichen Analyse, wo es konkreten Verbesserungsbedarf gibt – der dauert lange. Und sehr oft geht die Einschätzung darüber, wie stark sich dieser Wandel schon vollzogen hat, zwischen den Hierarchieebenen weit auseinander. Das stellte kürzlich eine Studie fest, über die Wirtschaftspsychologie aktuell berichtet.

ManagerInnen verschätzen sich

Der sogennante Hernstein Management Reports 2017, für den 1.585 Führungskräfte sowie Unternehmerinnen und Unternehmer online befragt wurden, stellt fest, dass die Führungskräfte aus dem Spitzenmanagement den Umgang mit Fehlern in ihren Unternehmen deutlich positiver einschätzen als es die Führugskräfte im Mittelmanagement und im unteren Mittelmanagement tun.  685 kamen aus Österreich, 900 aus Deutschland. Währen dreiviertel der befragten Spitzenmanagerinnen und Spitzenmanager der Meinung ist, dass ihre MitarbeiterInnen transparent mit Fehlern umgehen, sind gerade einmal die Hälfte der Führungskräfte auf den unteren Positionen dieser Ansicht. Und während fast Zweidrittel der Spitzenführungskräfte glaubt, aus Fehlern würde auch gelernt, ist die Einschätzung der Führungskräfte im Mittelmanagement dazu ebenfalls deutlich verhaltener.

Etwas selbstkritischer ist die Einschätzung der Topmanagerinnen und Topmanager darüber, ob das offene Zugeben von Fehlern belohnt werde: Hier gibt nur jede und jeder Dritte an, dass dies in ihrem oder seinen Unternehmen der Fall sei. Weniger als jede und jeder fünfte Befragte aus dem Spitzenmanagement glaubt allerdings, dass die Beschäftigten Angst vor Bestrafung hätten. Vielmehr wird vermutet, es herrsche zu großer Stress und Zeitnot, um Fehler ausgiebig zu analysieren und in jedem Fall nachhaltige Verbesserungen daraus abzuleiten.

Führungskräfte haben Kontakt zur Basis verloren

Beschäftigte übrigens schätzen die Situation komplett anders ein: Sie geben vor allem an, dass Fehler immer noch sanktioniert würden und tun daher viel dafür, zu verheimlichen, wenn etwas schief gelaufen ist.

Die Studie zeigt daher, wie stark vor allem das Top-Management noch immer von der Basis der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entfernt ist und dass vielen Führungskräften eine realistische Einschätzung darüber fehlt, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Arbeiten in einem Unternehmen erleben.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.

Kommentare

  • Leider hat sich anscheinend kaum etwas geändert.
    Dabei habe ich in meiner Laufbahn erlebt, dass nichts entwaffnender und ehrlicher ist Fehler zuzugeben.
    Nach meiner Erahrung verliert man hierdurch nicht – sondern gewinnt sogar an Kompetenz.
    Ausserdem ist es sowieso zwecklos Fehler zu vertuschen – die Mitarbeiter wissen sowieso wer den Fehler zu verantworten hat.

  • „Fehler sind Freunde“- denn allein schon das regelmässige Reflektieren von Sachverhalten allein oder in der Gruppe ist zielführender als stoisches Behaupten „fehllos“ zu sein-
    Aber es stimmt , gerade die älteren Führungskräfte sind noch anders erzogen worden und das Gefühl ein Verlierer zu sein, wenn man ewas „falsch“ gemacht oder entschieden hat ist tief in unsere Seele eingbrannt.
    Es bedarf schon viel Reflexionsbereitschaft aber auch Vertrauen ins Team um mit Fehlern offener und wertschätzend menschlicher umzugehen- also Kollegen Führungskräfte: weg von schwarz-weiss-Denken und vor allem weg vom eigenen und erwarteten Perfektionismus! Dann klappts auch mit der Fehlerkultur, denn wir sind , Gott sei Dank, alle Menschen!

  • Guten Tag Tina Groll,
    eine gute Fehlerkultur zu integrieren ist schwierig. In der Schule wurden Fehler rot angestichen und schlecht bewertet, unsere Eltern haben bei Fehlern geschimpft. Folglich haben wir gelernt: “Fehler sind schlecht und werden bestraft”. Es ist ein Transformationsprozess notwendig, damit wir Fehler als das erkennen können, was sie wirklich sind. Nämlich “Chancen für Verbesserungen”.
    Melden Sie sich, falls Sie Interesse an einem Artikel zum Thema Fehler- oder Streitkultur haben. Ich bin vom Fach und teile mein Fachwissen gerne.
    Mit den besten Grüßen
    Stephanie Huber

  • Liebes Team,

    Ich bin bzw. war KVP Manager in einem mittelständischen Unternehmen. Neben der Veränderung der Führungskultur, war eine wichtige Säule eine offene Fehlerkultur, die ich im Zuge einer Lean Transformation umsetzen wollte. Ich kann dem Bericht zu 100 % zustimmen, bzw. könnte Ihn an mehreren Stellen vertiefen oder ergänzen. Eine Anmerkung möchte ich dennoch anbringen, der vielleicht die Ursache noch treffender beschreibt: Die meisten Führungskräfte verschätzen sich nicht und haben den Kontakt auch nicht verloren, Sie haben Ihn schlichtweg noch nie gehabt. Hintergrund ist, dass in Deutschland die Führungsjobs meistens anhand von “Qualifikationen”, sprich Hochschulabschlüssen vergeben werden und es vielen guten Leuten, die über den zweiten Bildungsweg gehen, verwehrt bleibt, in entscheidende Führungspositionen zu gelangen. Der zweite Grund ist bedingt durch Persönlichkeitsstrukturen, die “Führungskräfte” über den o.g Weg nicht erlangen können und zwar Erkenntnis aus Fehlern auf dem Weg zur Führungskraft zu lernen. Ich selbst gehe den zweiten Bildungsweg seit meiner Lehre vor 30 Jahren und stoße immer wieder an meine Grenzen aus o.g. Gründen. Verlierer diese Dilemmas sind neben vielen guten und talentierten Führungskräften vor allem die Unternehmen. Es gibt jedoch schon einige wenige Unternehmen, die das bereits verstanden haben. Anderen Unternehmen steht diese schmerzliche Erkenntnis noch bevor. Der Weg dorthin ist jedoch unendlich schwer, da es sich hier um kulturelle Veränderungen und Muster handelt, die tief verwurzelt sind. Ich habe diese Problematik durch viel Taktik schon oft umgehen können und mir so durch den Erfolg, den wir dadurch in den Organisationen erlangen konnten, selbst den Beweis schaffen können.
    Es könnte so einfach sein, ist aber gleichzeitig sehr schwer. Die Antwort ist eine gut durchmischte Führungsmannschaft aus männlichen Vertretern und Frauen, aus Akademikern und Nichtakademikern und mittlerweile Vertretern aus verschiedenen Kultur- bzw. Religionsvertretern. Bei Rückfragen können Sie sich gern an mich wenden. mfg Mario Helbig (WerkzeugmacherMaschinenbautechnikerBetriebswirtUmweltmanagerKVPBlackbeltQualitätsmanagerTeilnehmerdiverserSehrGuterFühungsundPersönlichkeitsseminareProjektleiterProgrammmanagerundVisionär)

  • Hallo Frau Groll,
    solange besonders Führungskräfte meisterhaft die eigenen Fehler kaschieren oder gar den Nimbus der eigenen „Unfehlbarkeit“ hochhalten, kann keiner erwarten, dass der „kleine“ Mitarbeiter hier heroisch voranschreitet!
    Ich kann und darf unter diesen Umständen gar keinen echten Kontakt zur Arbeitsrealität haben, denn dann müsste ich zuallererst bei mir als Führungskraft mit der Fehlersuche beginnen. Einen schönen Tag wünsche ich! Herzliche Grüße Gunda Weßeler

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