Perfektionismus ist keine Stärke

Ein gelber und ein lilafarbener Buntstift

Perfektionismus als positive Eigenschaft zu betrachten, ist gefährlich, denn ungesundes Engagement birgt gesundheitliche Risiken, einschließlich Burnout.

Übererfüllung von Aufgaben oder ständiges Aufschieben: Beides kann auf überzogenen Perfektionismus hindeuten, erklärt Coach und Autorin Evelien Bijl in einem Interview mit dem Magazin Flow. Dabei kann sowohl die Überarbeitung als auch die Prokrastination aus der Angst entstehen, nicht den Erwartungen zu entsprechen. Bijl kritisiert die Tendenz in der Arbeitswelt, Perfektionismus als positive Eigenschaft zu betrachten, und betont, dass ungesundes Engagement gesundheitliche Risiken birgt, einschließlich Burnout.

Cover für Überall, nur nicht im BüroSie hebt hervor, dass Perfektionismus weit über die beruflichen Aspekte hinausgeht und sich auch auf unsere emotionalen Erwartungen an uns selbst erstreckt. Emotionaler Perfektionismus beinhaltet unrealistische Standards dafür, wie wir fühlen sollten, was zusätzlichen Druck erzeugt. Sie stellt klar, dass es normal ist, eine Reihe von Emotionen zu erleben. Sich für natürliches emotionales Erleben zu bestrafen, verschärft nur das Leid.

Das Leben als Reise

Bijl betont die Notwendigkeit, sich dieser perfektionistischen Tendenzen bewusst zu werden und sie aktiv anzugehen. Ein erster Schritt ist die Identifizierung toxischer Gedanken wie der Überzeugung, dass ohne ständige Kontrolle alles schief geht. Oder der Angst, dass weniger zu arbeiten Faulheit bedeutet. Sie empfiehlt, bewusste Pausen einzulegen und sich an die Wichtigkeit von Erholung zu erinnern, selbst wenn es anfangs unangenehm erscheint. Mit der Zeit kann diese Praxis helfen, die Angst vor Unvollkommenheit zu verringern und Erholung zu genießen.

Wir sind der Wandel-NewsletterEinen weiteren Ansatz bietet die Autorin, indem sie vorschlägt, das Leben als Reise zu betrachten, auf der man kontinuierlich lernt und sich entwickelt. Diese Perspektive steht im Gegensatz zu der statischen Sichtweise vieler Perfektionistinnen und Perfektionisten, die Erfahrungen in Erfolg oder Misserfolg einteilen und ständig Angst vor Fehlern haben. Diese ständige Angst kann lähmend wirken und das persönliche Wachstum hindern. Liebevoller mit sich selbst umzugehen und den Perfektionismus abzulegen, ist dabei sehr herausfordernd. Und auch wenn dieser Prozess Zeit und Geduld erfordert, die Bemühungen lohnen sich, da sie zu einem erfüllteren und gesünderen Leben führen – frei von den Fesseln des Perfektionismus.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.