Volkskrankheit Rückenleiden: Über 26 Millionen Deutsche leiden unter Rückenschmerzen. Dabei gibt es sogar bundesweite Hotspots.
Fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung, genauer gesagt 26,2 Millionen Patientinnen und Patienten, waren im Jahr 2021 aufgrund von Rückenbeschwerden in ärztlicher Behandlung. Das zeigt der aktuelle Gesundheitsatlas 2021 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), der erstmals die regionale Verteilung von Rückenschmerzen bis auf die Ebene der Kreise und kreisfreien Städte transparent darstellt.
Die Prävalenz von Rückenbeschwerden variiert dabei stark von Region zu Region. Im thüringischen Kreis Suhl war sie mit beeindruckenden 45,8 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in der Stadt Potsdam mit 21,3 Prozent. “Der Gesundheitsatlas kann den Akteuren vor Ort Hinweise geben, welche Veränderungen an den Verhältnissen vor Ort nützlich sein können, um die Krankheitshäufigkeiten zu senken”, so Helmut Schröder, Geschäftsführer des WIdO. Dabei könnten Präventionsangebote im betrieblichen Kontext, die Risikofaktoren für die Entstehung oder Chronifizierung von Rückenschmerzen verhindern, eine wichtige Rolle spielen.
Krankheitshäufigkeit von Rückenbeschwerden steigt mit Alter
Die niedrigsten Krankheitshäufigkeiten wurden in Potsdam mit 21,3 Prozent, gefolgt von Darmstadt mit 22,6 Prozent und Heidelberg mit 22,8 Prozent verzeichnet. Im Gegensatz dazu stehen ländliche Regionen wie Suhl mit 45,8 Prozent, Hildburghausen mit 43,8 Prozent und Sonneberg mit 42,3 Prozent. Besonders stark betroffen sind der Nordosten Bayerns sowie einige Regionen Thüringens und Sachsen-Anhalts. Selbst nach Bereinigung der Alters- und Geschlechtsstruktur bleiben die Unterschiede beim Vergleich der Kreise und kreisfreien Städte bestehen.
Die Krankheitshäufigkeit von Rückenbeschwerden steigt mit dem Alter, wobei Frauen häufiger betroffen sind. Laut dem Gesundheitsatlas sind ärztlich dokumentierte Rückenschmerzen bereits bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen vorhanden, nehmen jedoch mit steigendem Alter zu. Bei Frauen über 65 Jahren ist immerhin jede Zweite betroffen, bei Männern wird dieser Wert erst ab einem Lebensalter von 80 Jahren erreicht. Doch auch jüngere Erwachsene im erwerbstätigen Alter sind betroffen: Im Alter zwischen 30 und 35 Jahren leiden bereits 27 Prozent der Frauen und 22 Prozent der Männer unter Rückenbeschwerden. “Damit sind Rückenschmerzen eines der häufigsten Gesundheitsprobleme in Deutschland”, betont Helmut Schröder. Und die volkswirtschaftlichen Folgen der Belastung durch Rückenschmerzen sind entsprechend erheblich.
14 Prozent der volkswirtschaftlichen Kosten aufgrund von Rückenleiden
Rückenbeschwerden stellen nicht nur ein individuelles Gesundheitsproblem dar, sondern haben auch große Auswirkungen auf die Wirtschaft. Laut Krankheitskostenstatistik entfielen im Jahr 2022 11,6 Milliarden Euro und damit 2,8 Prozent der Krankheitskosten auf Rückenleiden. Zudem gehen 14 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage auf Rückenschmerzen zurück. Im Jahr 2022 führte dies zu 96,7 Millionen Arbeitsunfähigkeitstagen für die 34,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland, wodurch Produktions-Ausfallkosten in Höhe von 12,4 Milliarden Euro entstanden. Der Anteil der Rückenschmerzen an den gesamten volkswirtschaftlichen Kosten durch Arbeitsunfähigkeit beträgt somit 14 Prozent. Seit 2017 bleibt die Prävalenz von Rückenschmerzen auf einem konstant hohen Niveau. “Angesichts von zunehmend älter werdenden Belegschaften in Deutschland sollten Risikofaktoren, die mit der Entstehung oder Chronifizierung von Rückenschmerzen in Zusammenhang stehen, möglichst frühzeitig adressiert werden”, so Helmut Schröder.
Ein weiterer interessanter Aspekt des Gesundheitsatlas ist die Feststellung, dass materiell und sozial benachteiligte Menschen häufiger unter Rückenschmerzen leiden als Menschen mit einem höheren sozialen Status. Faktoren wie Einkommen, Beschäftigung und Bildung spielen eine Rolle und beeinflussen die Rückenschmerz-Häufigkeit zwischen ländlichen und städtischen Regionen. So weisen ökonomisch und sozial besonders benachteiligte (“deprivierte”) Regionen eine höhere Rückenschmerzprävalenz von 34,2 Prozent auf, während in Regionen mit der besten materiellen und sozialen Ausgangssituation der Wert bei 28,8 Prozent liegt. Selbst bei Berücksichtigung unterschiedlicher Alters- und Geschlechtsstrukturen der Bevölkerung bleibt der Zusammenhang zwischen Rückenschmerzen und der sozioökonomischen Lage bestehen.
Übergewicht ist ein weiterer Risikofaktor
Zusätzlich zeigt der Gesundheitsatlas, dass Übergewicht ein weiterer Risikofaktor für die Entstehung oder Chronifizierung von Rückenschmerzen ist. In Regionen mit einem höheren Anteil adipöser Personen sind auch mehr Menschen von Rückenschmerzen betroffen. So liegt die Prävalenz von ärztlich dokumentierten Rückenschmerzen in Regionen mit hohem Adipositas-Anteil bei 35,9 Prozent, während sie in Regionen mit niedrigem Adipositas-Anteil nur bei 28,2 Prozent liegt.
Die Veröffentlichung des Gesundheitsatlas 2021 liefert wichtige Erkenntnisse über die Verbreitung und Ursachen von Rückenschmerzen in Deutschland. Sie unterstreicht die Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen und Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage in stark betroffenen Regionen.