Die Kommunikation ist für Unternehmen von grundlegender Bedeutung und erstreckt sich über verschiedene Ebenen. Welchen Stellenwert die einzelnen Kommunikationskanäle haben, erzählt die Marketingexpertin Tanja Mehler im Interview.
Die Kommunikation ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für Unternehmen. Sie fördert eine positive Unternehmenskultur, stärkt die Beziehungen zu Kundinnen und Kunden sowie Stakeholdern, verbessert das Engagement der Beschäftigten und trägt insgesamt zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit bei.
Wir sind der Wandel: Wie hat sich die Kommunikation in den letzten Jahren verändert?
Tanja Mehler: Die Digitalisierung hat unsere Kommunikation stark verändert. So hat beispielsweise die digitale Kommunikation über WhatsApp und Messenger stark zugenommen. Wir kommunizieren und informieren uns über Social Media. Und auch der Austausch per Video ist mittlerweile zur Routine geworden.
Dabei hat die Kommunikation nicht nur insgesamt einen weitaus höheren Stellenwert bekommen. Auch die Anforderungen an die Inhalte steigen kontinuierlich: Kundinnen und Kunden erwarten personalisierte Nachrichten, sie möchten individuell angesprochen werden. Ein permanentes Entertainment, ein Storytelling mit einem Blick hinter die Kulissen, ist für Kundinnen und Kunden und auch für Unternehmen mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden.
“Ein weiterer wichtiger Meilenstein war die Pandemie”
Wir sind der Wandel: Was war der Auslöser für die Veränderung?
Mehler: Hier treffen mehrere Faktoren aufeinander: Wesentlich für die zahlreichen Veränderungen in der Kommunikation sind einerseits das Internet, die Smartphone-Nutzung und deren flächendeckende Verbreitung, verbunden mit einer permanenten Erreichbarkeit. Andererseits die rasante Geschwindigkeit, mit der der technologische Fortschritt erfolgt.
Die daraus resultierende globale Digitalisierung zwang Unternehmen nahezu dazu, ihre Kommunikationsstrategie anzupassen. Das heißt, um sich global behaupten zu können, mussten sie ihre Arbeit und die Kommunikation mit ihren Kundinnen und Kunden weitestgehend auf digitale Kanäle, Medien und Tools umstellen. Ein weiterer wichtiger Meilenstein war die Pandemie, die der digitalen Kommunikation einen ordentlichen Push gab.
Als Marken- und Marketingexpertin hat Tanja Mehler in den letzten 18 Jahren zahlreiche Marken aufgebaut und weiterentwickelt. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist dabei die Entwicklung langfristiger Strategien und innovativer Kampagnen.
Wir sind der Wandel: Welche Kommunikationskanäle gibt es?
Mehler: Die Liste an möglichen Kommunikationskanälen ist nicht nur lang, es kommen immer weitere Kanäle, Medien und Möglichkeiten hinzu. Dabei unterscheidet man zwischen der klassischen, mündlichen Kommunikation, wozu Gespräche, Telefonate, Videocalls und Meetings zählen. Und der schriftlichen Kommunikation wie E-Mails, Nachrichten in Textform und Briefe. Auch kommunizieren wir visuell mit Bildern, Grafiken und Bewegtbild.
Umgekrempelt wurde die Kommunikationslandschaft in den letzten Jahren durch digitale Plattformen wie Websites, Webshops, Foren und Blogs sowie soziale Medien wie Instagram, Facebook, Twitter und TikTok. Dabei rückten gleichzeitig Printmedien wie Zeitungen, Zeitschriften und Magazine mehr und mehr in den Hintergrund, was ich persönlich sehr schade finde. Eine ähnliche Entwicklung haben Broschüren, Prospekte und gedruckte Infomaterialien erfahren. Viele Unternehmen reduzierten sie stark oder stellten sie sogar ganz ein. Weitere Kommunikationskanäle sind TV, Radio und Podcasts. Letzteres hat sich als vielversprechender Kanal herauskristallisiert. Und nicht zu vergessen: Veranstaltungen, Messen, Events und Networking. Denken wir an die direkte Kommunikation, sind das weitere wichtige Kanäle.
“Im Mittelpunkt steht immer die Zielgruppe”
Wir sind der Wandel: Ohne Social Media geht es heute kaum noch. Wie finde ich heraus, welche Kanäle zu meinem Unternehmen, meinen Produkten passen?
Mehler: Im Mittelpunkt steht immer die Zielgruppe. Daher sollte jedes Unternehmen diese zunächst identifizieren und für sich definieren. Denn nur wer seine Kundinnen und Kunden kennt, kann auch ableiten, wo er sie antrifft und welche Plattformen sie am häufigsten nutzen. Dabei kann sehr nützlich sein, auch auf den Plattformen selbst zu schauen und zu recherchieren, wie die Zielgruppe des Kanals definiert ist und ob die Inhalte des Unternehmens relevant für die jeweiligen Plattform-Userinnen und -User sind. Und auch ein Blick auf die Konkurrenz und deren Kanal-Auswahl kann sinnvoll sein.
Ferner sollten Unternehmen sich generell im Klaren sein, welche Inhalte sie mit ihren Kundinnen und Kunden teilen möchten. Das nämlich grenzt die Kanal-Wahl ebenfalls ein. Ist ein Produkt beispielsweise sehr erklärungsbedürftig, kann Youtube passend sein. Bei Mode hingegen steht der visuelle Aspekt im Vordergrund, was für Instagram spricht.
Und was auf keinen Fall vergessen werden darf, sind die Kapazitäten, die für den Aufbau, aber auch für die kontinuierliche Pflege benötigt werden. Zudem empfehle ich immer, nicht mit allen Kanälen gleichzeitig zu starten, sondern Prioritäten zu setzen.
Wir sind der Wandel: Wie wichtig ist Content-Marketing?
Mehler: Sehr wichtig, denn Content Marketing ist eine Form, Methode oder Technik des Marketings mit dem Ziel, inhaltlich wertvollen und relevanten Content für eine vordefinierte Zielgruppe zu entwickeln und sie zu begeistern, zu informieren und langfristig zu binden. Im Mittelpunkt des Content Marketings steht dabei nicht nur das angebotene Produkt oder die Marke. Hier geht es vielmehr darum, die Zielgruppe in die Markenwelt zu ziehen und sie mit verschiedenen Formaten wie Bild, Bewegtbild, Posts, Podcasts, Infografiken und weiteren Formaten entlang des Lebenszyklus kontinuierlich mit authentischen und markenrelevanten Inhalten langfristig für die Marke zu gewinnen.
“Je mehr Insights ein Unternehmen nach außen kommuniziert, desto attraktiver ist es”
Wir sind der Wandel: Ist das E-Mail-Marketing auch noch relevant?
Mehler: Unbedingt, auch wenn man dem E-Mail-Marketing häufig anlastet, dass es ausgedient hat, ist das Potential weiterhin groß. Hier müssen wir nur einen Blick auf unser eigenes Verhalten werfen, denn die meisten von uns schreiben täglich E-Mails. Mit einer E-Mail erreichen wir gezielt Personen, können sie personalisiert ansprechen und informieren sowie mit ihnen in Kontakt bleiben und sie an uns binden. Und auch das Versenden automatisierter E-Mails ist im Online-Marketing hilfreich und unverzichtbar.
Wir sind der Wandel: Was muss eine Unternehmenswebsite aus kommunikativer Sicht mindestens enthalten?
Mehler: Eine Website sollte Besucherinnen und Besuchern eindeutig zeigen, was der Zweck und die Idee des Unternehmens sowie seiner Produkten, Leistungen oder Services sind. Je konkreter die Bereiche dabei definiert und beschrieben sind, desto mehr Einblick erhalten Besucherinnen und Besucher und desto eher setzen sie sich bei Interesse mit dem Unternehmen in Verbindung. Eindeutig kommunizierte Kontaktinformationen des Unternehmens sind dabei unerlässlich. Und je mehr Insights ein Unternehmen dabei nach außen kommuniziert, desto attraktiver ist es bzw. die Brand für die Zielgruppe.
Wir sind der Wandel: Die Nutzung von Messenger-Apps wie WhatsApp oder dem Facebook Messenger ermöglichen eine persönliche Kommunikation mit Kundinnen und Kunden. Wie genau funktioniert das?
Mehler: Mit Messenger Apps können Unternehmen direkt in den Kontakt und Austausch mit ihren Kundinnen und Kunden gehen. Ferner können sie automatisierte Nachrichten versenden, um Kundinnen und Kunden über einen gewissen Status zu informieren. Das sieht man häufig bei Online-Bestellungen: In Form von Bestell- und Versandbenachrichtigungen oder bei Reisebuchungen erhalten Kundinnen und Kunden einen Statusbericht.
Der Weg ist aber keine Einbahnstraße, denn auch Kundinnen und Kunden haben die Möglichkeit, Unternehmen, die mit Messenger Apps arbeiten, direkt zu kontaktieren und so schnell an ihre gewünschten Informationen zu gelangen. In Asien und Lateinamerika beispielsweise sind WhatsApp-Geschäfte üblich. Der größte Anteil des Umsatzes wird hier über WhatsApp generiert. Ein gutes Beispiel für die Umsetzung von erfolgreichem WhatsApp Marketing in Deutschland ist SNOCKS. Im OMR Podcast (Folge 649) erzählt der Gründer Johannes Kliesch, dass er 2023 allein über drei Millionen Euro Umsatz nur mit WhatsApp gemacht hat. Dieser Case zeigt, dass hier sehr viel Potential ist, und dass sich die Nutzung auch in Deutschland weiter etablieren wird.
“Steht ein Produkt-Launch an, ist die direkte Interaktion in Echtzeit nützlich”
Wir sind der Wandel: Das Live-Streaming auf Plattformen wie YouTube, Facebook oder Instagram ermöglicht eine Echtzeitinteraktion mit seiner Zielgruppe. Wann macht das Sinn?
Mehler: Das hängt davon ab, in welcher Branche ich mich bewege und welches Produkt ich vertreibe. Steht beispielsweise ein Produkt-Launch oder eine Bekanntmachung von wichtigen Unternehmensveränderungen an, ist die direkte Interaktion in Echtzeit nützlich. Und auch bei Sport-Events und anderen aktuellen Themen ist eine Echtzeit-Berichterstattung sinnvoll. Hilfreich ist ein Live-Streaming, wenn Produktfunktionen aufgrund ihrer Komplexität demonstriert, komplexe Themen authentisch erklärt oder Fragen bei Trainings, Workshops und Webinaren beantwortet werden sollen. Beim Aufbau einer Community, die die direkte Interaktion und den Blick hinter die Kulissen erwarten, sind Live-Streamings unerlässlich.
Wir sind der Wandel: Podcasts gewinnen zunehmend an Popularität. Sie eignen sich hervorragend für vertiefende Gespräche, Interviews und Expertenbeiträge. Wer sollte diesen Aufwand betreiben?
Mehler: Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Wer einen Podcast starten möchte, sollte bedenken, dass das gerade zum Start mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. Hinzu kommt, dass es mittlerweile zu jedem erdenklichen Thema bereits einen Podcast gibt. Sich hier durchzusetzen, erfordert einen langen Atem. Der Podcast vom Magazin STRIVE zum Beispiel hat diese Woche seine letzte Podcast-Folge angekündigt. Die Verlegerin Katharina Wolff spricht bei LinkedIn sehr offen über die Entscheidung: Die Produktion habe zu viel Zeit des Teams und ihrer persönlichen Zeit gebunden, so dass der ROI am Ende nicht stimmte. Daher mein Appell an alle, die mit dem Gedanken spielen, einen Podcast zu starten: Berücksichtigt den Zeit- und Kapazitäts-Aspekt!
“Apps sind mit hohen Kosten und Kapazitäten verbunden”
Wir sind der Wandel: Unternehmen entwickeln eigene mobile Apps, um direkt mit ihren Kunden zu interagieren, um personalisierte Angebote bereitzustellen und um die Benutzererfahrung zu verbessern. Ist solch ein Aufwand heute noch sinnvoll?
Mehler: Apps sind mit hohen Kosten und Kapazitäten für die Entwicklung, den kontinuierlichen Ausbau und die permanente Pflege verbunden. Daher sollte ein Unternehmen bereits eine gewisse Größe erreicht haben. Ist das der Fall und der Need für das Unternehmen auf allen Ebenen analysiert, sind Markt- und Kundenbedürfnisse geprüft, mit den Unternehmenszielen vereinbar und Erfolg versprechend, kann sich der Aufwand lohnen. Allerdings sollten Unternehmen auch Alternativen prüfen und bewerten. Manchmal können eine Website oder die Nutzung von bestehenden Plattformen, Social Channels und Medien den gleichen Zweck erfüllen.
Wir sind der Wandel: Wie wichtig sind bei all den Möglichkeiten, die es heute gibt, noch interne Kommunikationstools wie das Intranet?
Mehler: Für mittelständische und große Unternehmen und Teams ist das Intranet noch immer ein nützliches Tool. Hier können Unternehmen unter anderem ihre Unternehmenskultur und ihre Werte vermitteln, wichtige Informationen bündeln, Richtlinien, Handbücher und Schulungsunterlagen zur Verfügung stellen, Vorlagen, Vordrucke und Pläne ablegen, Blogs, Foren und Diskussionen stattfinden lassen, Feedback einholen und Themen wie die interne Sicherheit und den Datenschutz abbilden. In kleinen Unternehmen können diese Aufgaben über andere Tools oder teilweise per E-Mail erfolgen. Die Auswahl, welche Tools dabei sinnvoll sind, sollte vor der Einführung umfassend und strategisch durchdacht werden.
“Fernsehen, Radio und gedruckte Medien haben weiterhin eine Relevanz”
Wir sind der Wandel: Haben traditionelle Medien wie Fernsehen, Radio und gedruckte Medien bei den vielen digitalen Möglichkeiten überhaupt noch eine Zukunft?
Mehler: Ich bin seit 18 Jahren in der Kommunikationsbranche tätig und habe erst letztes Jahr meinen ersten Radio-Spot für einen Kunden entwickelt. Das zeigt nicht, dass Radio-Spots überholt sind, sondern vielmehr, dass ich bisher Kundinnen und Kunden vertreten habe, deren Zielgruppe nicht im Radio vertreten war.
Fernsehen, Radio und gedruckte Medien haben weiterhin eine Relevanz. Insbesondere erreichen Unternehmen hier die ältere Zielgruppe, für die das Internet noch immer nicht im Alltag integriert und etabliert ist. Ferner sind für die lokale Werbung Zeitungen und Radio noch immer ein guter Kommunikationskanal. Kürzlich stellte eine Supermarktkette ihre Prospekte und Handzettel in einer Region vollständig ein, was rasant zur Abwanderung der Stammkundschaft führte. Auch wenn das ein lokales Beispiel ist, zeigt es doch deutlich, dass traditionelle Medien für bestimmte Zielgruppen nach wie vor wichtige Plattformen sind – auch wenn sich die Mediennutzung insgesamt stark verändert hat.