FDP: “Lust auf Überstunden machen”

Viele Wanduhren

Die FDP drängt auf verbesserte Steueranreize für Überstunden, um das Gehaltsplus zu sichern. Für die SPD-Spitzenkandidatin für Europa, Katharina Barley, geht der Vorschlag der Liberalen an der Arbeitsrealität vieler abhängig Beschäftigten vorbei.

Die FDP hat in einem am 8. April verabschiedeten Fünf-Punkte-Papier zur Stärkung der Wirtschaft die Verbesserung der Steueranreize für Überstunden gefordert. Laut dem Parteipräsidium verringert sich durch die Progression der Lohn- und Einkommensteuer derzeit oft das Gehaltsplus für Überstunden. Um dem entgegenzuwirken, könnten sowohl eine begrenzte Zahl von Überstunden als auch ausbezahlte Überstundenzuschläge steuerfrei gestellt werden, heißt es in dem Papier, das uns vorliegt.

FDP-Chef Christian Lindner betonte am Sonntagabend die Notwendigkeit, den Beschäftigten “Lust auf Überstunden zu machen, weil sich diese möglicherweise steuerlich lohnen, weil man nicht alles beim Staat abgibt”. Eine steuerbefreite Auszahlung sei ein solcher Anreiz für Mehrarbeit, so das Parteipräsidium.

Problem mit den unbezahlten Überstunden

Die Reaktion der SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katharina Barley, ist jedoch klar: Sie lehnt die Vorschläge ab und betont, dass Überstunden die Ausnahme sein sollten. “Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben ein Recht auf Gesundheit und Freizeit”, so Barley. Insbesondere in der Pflege verlassen viele aufgrund von Überstunden den Beruf. Und es gibt noch ein weiteres Problem: Die allermeisten Überstunden werden gar nicht erst bezahlt und auch nicht dokumentiert. Laut Statistischem Bundesamt leistete fast ein Viertel der Beschäftigten im Jahr 2022 unbezahlte Überstunden. Und selbst da, wo sie in einem Arbeitszeitkonto erfasst und zum Beispiel für einen sehr viel späteren Ausgleich dokumentiert sind, dürfte es steuerlich kniffelig werden, Anreize zu schaffen. Der Vorschlag der Liberalen geht daher an der Arbeitsrealität vieler abhängig Beschäftigten vorbei – von Selbständigen ganz zu schweigen.

Die FDP fordert in ihrem Papier außerdem eine automatische Anpassung der Lohn- und Einkommensteuer an die Inflation, Steueranreizmodelle für ausländische Fachkräfte sowie attraktivere Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In der Debatte um das Bürgergeld plädiert die FDP für eine Überprüfung der Berechnungsmethode und eine Verschärfung der Sanktionen für Totalverweigerer. Arbeitsanreize für Bürgergeldempfänger müssten gestärkt werden.

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Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.