Führungskräfte bekommen 30.000 Mails im Jahr

Mann sitzt am Schreibtisch

Haben Sie schon mal gezählt, wie viele E-Mails Sie am Tag erhalten? Bei mir sind es im Durchschnitt 100 Stück am Tag über meinen Job-Account. Plus Nachrichten über die Mail-Adresse der Chefin, meiner privaten Mail-Adresse sowie Nachrichten via Xing, LinkedIn und Facebook.

Als Journalistin arbeite ich in einem Kommunikationsberuf. Und bekomme entsprechend viele Werbemails, die ich ungelesen weglöschen kann. Als Managerin oder Manager geht das in der Regel nicht so einfach. Am Freitag berichtete das Handelsblatt  seiner Printausgabe über die Mailflut für Führungskräfte und mit welchen innovativen Lösungen Unternehmen hier für mehr Effizienz und eine reibungslosere Kommunikation sorgen. Nach einer Studie des IT-Branchenverbands Bitcom bekommt jeder Beschäftigte hierzulande 18 Emails am Tag. Und die Unternehmensberatung Bain & Company hat herausgefunden, dass Führungskräfte im Schnitt 30.000 Emails im Jahr bekommen. Also gut 85 elektronische Nachrichten am Tag.

Klingt nach jeder Menge Arbeit, wenn man überlegt, dass für die allermeisten Managerinnen und Manager ein Assistent die unwichtigen Werbemails, die nicht beantwortet werden müssen, schon aussortieren. Und: Laut Bain & Company hatten Führungskräfte noch in den siebziger Jahren gerade einmal 1.000 Anfragen im Jahr, die sie beantworten mussten.

Das Kommunikationaufkommen hat sich verdreißigfacht

Das Kommunikationaufkommen hat sich also verdreißigfacht. Problematisch daran ist: Viele Mails sind unnötig. Chefs werden insCC für die verschiedensten Mails gesetzt. Oftmals ist das nicht wirklich nötig.

Um die Kommunikation effizienter zu machen, probieren eine Reihe Unternehmen firmeninterne soziale Netzwerke aus. In der Regel funktionieren diese als erweitertes Intranet. Ein firmeneigenes Facebook in etwa. Das eignet sich vor allem für große Konzerne mit mehreren hunderten oder tausenden Beschäftigten. Auf diese Weise, so heißt es, könne auch Fachwissen transparenter gemacht werden, könnten Ansprechpartner leichter identifiziert werden und könnten sich auch ad-hoc fachspezifische Arbeitsgruppen bilden. Laut Handelsblatt-Bericht setzt etwa Bosch auf so eine Lösung. Beim internen Netzwerk Bosch Connect machten der Zeitung zufolge bereits 200.00 der 280.000 Mitarbeiter bereits mit.

Ein innovativer Ansatz, finde ich. Schon in vielen mittelständischen Unternehmen kennen sich die Mitarbeiter untereinander kaum. Häufig sind Arbeitsabläufe und Kommunikationsprozesse nicht ganz transparenz. Es kommt zu Doppelarbeit und doppelter Kommunikation, die Zeit klaut. Wenn dann noch die Kommunikation flaschenhalsartig über Führungskräfte im Mittelmanagement laufen muss, verlängert das oft unnötig lange wichtige Entscheidungsprozesse. Das alles kostet. Geld, Zeit, Nerven.

Kritiker sagen allerdings, dass ein firmeneigenes soziales Netzwerk, wenn nicht die Kommunikations- und Entscheidungshierarchie ebenfalls stärker geöffnet und verändert wird und bestehende Strukturen nicht ebenfalls überdacht und geöffnet werden, eher für noch mehr unnötiges Nachrichtenaufkommen sorgen. Man darf gespannt sein, welche Workflows und Lösungen sich künftig als wirksam erweisen. Ich gehe davon aus, dass es nicht die eine Lösung sein wird, sondern dass sich jedes Unternehmen Maßgeschneidertes überlegen muss. Und dass es viel Mut auf Seiten der Firmenführung braucht, Prozesse zu verändern und neu aufzusetzen. Aber es könnte sich lohnen.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.

Kommentare

  • Wir müssen uns vor allem nicht nur als Opfer der Mails sehen, sondern uns fragen, ob und was wir konkret daran ändern können?

    – Ist jedes cc berechtigt, das ich einfüge?
    – Sorge ich dafür, dass alle Fragen in meinen Mails beantwortet werden, so dass es keine zusätzlichen Mails nach sich zieht?
    – Habe ich alles Newsletter abbestellt, die ich nicht wirklich haben möchte?
    – Wie schnell antworte ich auf Mails? Ist das immer nötig?
    – Was tue ich konkret dafür, um die Mailflut einzudämmen? Manchmal reicht schon ein kurzer Hinweis an Kollegen oder Kunden mit der Bitte mal den Hörer zur Hand zu nehmen oder Informationen zu bündeln statt mehrere Mails in Etappen zu schicken.

    Alles zusammen kann Wunder wirken.

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