Was sich etabliert hat, ist per se schon veraltet

gelber Ball in Menge blauer Bälle

Wer sich von Durchschnitt und Mittelmaß abheben will, muss Anderes, Besseres, noch Ungesehenes wagen. Wie die, die das tun, Unterstützung erhalten, weiß Anne M. Schüller.

Ein Gastbeitrag von Anne M. Schüller

Wer neuartige Konzepte und Initiativen in die Welt bringen will, braucht oft das Go Dritter. Bisweilen muss man ein ganzes Entscheidergremium überzeugen. Dies ist nicht immer leicht. So mancher klammert sich aus vielerlei Gründen gern ans Übliche, Vertraute, Etablierte, Bewährte. Doch was sich etabliert hat, ist per se schon veraltet, zumal es dann alle so machen. Wer sich von Durchschnitt und Mittelmaß abheben will, muss Anderes, Besseres, noch Ungesehenes wagen.

Nicht Allerweltaktivitäten, sondern das Besondere, Faszinierende, Bemerkenswerte hat eine strahlende Zukunft. Also werden neue, pfiffige, frische, freche, couragierte Ideen gebraucht, die einen Anbieter aus der Beliebigkeit holen. Doch solche Ideen sind sehr zerbrechlich, werden leicht totgetrampelt. Ihnen und ihren Schöpfern weht oft eine steife Brise entgegen, weil sie sich gegen Mutlosigkeit, Risikoscheue und bewahrende Kräfte zur Wehr setzen müssen.

Die Entscheiderpsychologie kann sehr vielschichtig sein

Es braucht Biss, Leidenschaft und Überzeugungskraft, um neue Denk- und Handlungsweisen in die Tat umzusetzen. Die, die das tun, benötigen Unterstützung. Deshalb dürfen sie sich nicht isolieren. Außerdem müssen sie „trommeln“ und ihre Sache gut vertreten: durchdacht, nachdrücklich und zugleich geduldig. Halbherzigkeit führt nur selten zum Ziel. Denn Halbherzigkeit kann man spüren. Wer nicht voll und ganz von seiner Sache durchdrungen ist, kann andere nicht überzeugen.

Natürlich muss jede Initiative umfassend ausgearbeitet werden, das ist das funktionale. Zudem muss sie gut präsentiert werden und anschlussfähig sein, das ist das emotionale. Ein wesentlicher Punkt dabei ist, sich in sein Gegenüber hineinzudenken und dessen Blickwinkel einzunehmen. Nur so lässt sich erschließen, weshalb eine Intervention gutgeheißen oder abgelehnt wird.

Dabei spielen nie nur allein sachliche, sondern immer auch emotionale Dimensionen eine maßgebliche Rolle. Ein Entscheider hat ja nie nur die Firmeninteressen im Blick. Vielfach wird er auch von persönlichen Interessen geleitet. Und gar nicht so selten haben diese sogar die Oberhand. Zudem muss man den Menschen Zeit geben, sich an das Neue zu gewöhnen. Nicht alle sind sofort zu begeistern. Manche brauchen eine Weile, bis sie zünden. Andere erreicht man gar nicht.

Die 5 wesentlichen Entscheidertypen – und wie sie ticken

Bei denen, die es zu überzeugen gilt, kann man zwischen fünf verschiedenen Typen unterscheiden. Sie haben folgende Charakteristika:

  • Die Befürworter einer Idee sind Mitstreiter, Gleichgesinnte, Verbündete. Man holt sie im Rahmen von Vorgesprächen mit ins Boot. Zusammen ist man immer stärker als allein. Suchen Sie also lange im Vorfeld nach Unterstützern. Bauen Sie sich ein regelrechtes Netzwerk auf. So kann man sich austauschen, seine Idee mit anderen Augen betrachten, Facetten gemeinsam weiterentwickeln und das Ganze wasserdicht machen. Zudem kann man so immer auch darauf verweisen, dass man sich im Vorfeld konsultativ mit Dritten beraten hat. Während einer Präsentation stärken Befürworter einem den Rücken, bringen ergänzende Argumente und halten einem die Feinde vom Leib. Eine entsprechende Verhandlungstaktik kann im Vorfeld abgestimmt werden, um den Durchmarsch einer Idee sicherzustellen.
  • Die Pragmatiker sind erst dann für eine Idee, wenn man glasklare Argumente und messbaren Nutzen aufzeigt. Gelingt dies nicht, lehnen sie ab. Manager überzeugt man mit Zahlen, Daten und Fakten. Beeindruckt sind sie von Studien zum Beweis, von Forschungsergebnissen und von Best-Practice-Fällen. Am besten macht man seinen Vorschlag im Stil einer Gebrauchsanweisung nahezu umsetzungsfertig. Nahezu? Idealerweise lässt man einen kleinen Nebenraum offen, um ergänzende Anregungen zu integrieren, damit es auch „deren Baby“ wird. Wenn möglich, zeigt man klipp und klar in Form einer Wirtschaftlichkeitsrechnung, wie sich der Vorschlag schnell amortisiert, einen Wettbewerbsvorsprung erzeugt, Wachstum generiert, die Reputation steigert, zu Mehrumsatz führt und sich somit auszahlt.
  • Die Phlegmatiker sind erst mal nicht für eine Idee. Sie sind abwartend, passiv, gleichgültig, erduldend. Sie sagen tendenziell zunächst grundsätzlich nein, weil das Dagegensein einfacher ist. Man kann eine Sache eben auch lassen. Sie haben zunächst stets Bedenken und gehen keine Risiken ein. Altbewährtes und die dazu gehörigen Routinen geben ihnen Sicherheit. Neues stört ihre beschauliche Ordnung. Sie diskutieren alles tot, um nur ja nicht ins Handeln zu kommen. Nach erstem Zögern sind sie aber dann doch erreichbar, wenn sich etwas anderswo schon bewährt hat. Man kann sie auf seine Seite ziehen, wenn ein Vorstoß keine großen Mühen bereitet und die Dinge einfacher und bequemer werden als zuvor. Wird der Druck von allen Seiten zu groß, fügen sie sich in ihr Schicksal und machen mit.
  • Die Verweigerer sind grundsätzlich dagegen – und dabei sehr resolut. Deshalb sind sie recht schwer zu knacken. Sie bekämpfen das Neue, befürchten Schreckliches, schüren Angst und verbreiten Unwahrheiten. Hinter den von ihnen vorgetragenen Gründen (zu teuer, zu unsicher, braucht kein Mensch, klappt sowieso nicht, das Alte tut es doch noch) stecken nicht selten ganz andere, sehr oft Besitzstandsinteressen, die sie durch sachliche Argumente zu tarnen versuchen. Deshalb reagieren sie meist aggressiv („nur über meine Leiche!“) oder auch hinterhältig. Dabei kann es ihnen gelingen, zunächst die Phlegmatiker und dann auch die Pragmatiker auf ihre Seite zu ziehen. Deshalb ist es taktisch klug, seine Idee so zu konstruieren, dass sie möglichst wenige Verweigerer produziert.
  • Die Feinde werden einem alles abschlagen, egal, wie gut es ist. Denen geht es nicht um die Sache, sondern rein darum, Ihre Position zu schwächen und Sie nicht hochkommen zu lassen. Egal, wie plausibel ein Vorstoß ist: Selbst die besten Argumente helfen hier nicht weiter. Im schlimmsten Fall bilden sich Lager, die einander bekämpfen. Im Interesse der Sache sollte jemand, der ständig als Person angegriffen wird, sich nicht scheuen, einen Schlichter hinzuzuziehen.

Ein ergänzender Tipp: Am besten reden Sie mit denen, die Sie überzeugen wollen, persönlich. Reale Begegnungen geben uns größere Sicherheit. Bewegen wir uns in den digitalen Raum, können leicht Missverständnisse entstehen. Dort verlieren wir auch das Gefühl für richtig und falsch. Außerdem sinken Hemmschwellen in der Anonymität. Hingegen verändert Augenkontakt das Verhalten der Menschen zum Guten.

 

Anne M. Schüller
Anne M. Schüller, Keynote-Speakerin, Bestsellerautorin und Businesscoach, gilt als eine der führenden Expertinnen für „Touchpoint Management“ und kundenfokussierte Unternehmenstransformation. Der Gastbeitrag stammt aus dem Buch Querdenker verzweifelt gesucht.

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