Weihnachtsgeld meist nur mit Tarif

Menschen auf Bahnsteig

Das Weihnachtsgeld wird zur Rarität, denn immer weniger Beschäftigte bekommen diese Sondervergütung noch. Dabei ist angesichts historisch hoher Inflationsraten für viele Beschäftigte das Weihnachtsgeld so wichtig wie nie zuvor, so Thorsten Schulten von der Hans-Böckler-Stiftung.

Ende November kommt für viele Beschäftigte ein kleiner Geldregen in Form des Weihnachtsgeldes auf das Konto. Der ist in diesem Jahr aufgrund der hohen Inflation und Energiekosten für viele wichtiger denn je. Doch nicht alle Beschäftigten erhalten diese Leistung überhaupt, denn das 13. Monatsgehalt wird vor allem in tarifgebundenen Unternehmen gezahlt, so eine neue Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. 79 Prozent sind es demnach, die tarifgebunden arbeiten – gegenüber 42 Prozent der Beschäftigten in Betrieben ohne Tarifvertrag.

Insgesamt erhalten zwar noch 54 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland Weihnachtsgeld, allerdings nimmt die Zahl mit Absinken der Tarifbindung ab. Denn da, wo es keine verbindliche Regelung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitenden gibt, ist das 13. Monatsgehalt in der Regel eine “freiwillige” Leistung. Dennoch kann diese zur Pflicht werden: Nämlich da, wo bei mehrjähriger Wiederholung und ohne des expliziten Verweises auf die Freiwilligkeit ein Gewohnheitsrecht entsteht.

Ost-West-Unterschiede und Gender Gap

“Angesichts historisch hoher Inflationsraten ist für viele Beschäftigte das Weihnachtsgeld so wichtig wie nie zuvor”, so Prof. Dr. Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs. “Es schafft zumindest kurzfristig einen Puffer, um auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten reagieren zu können. Umso problematischer ist es, dass vor allem Beschäftigte mit geringeren Einkommen, die eher in tariflosen Unternehmen arbeiten, deutlich seltener von einer Jahressonderzahlung profitieren. Gerade in Krisenzeiten erweisen sich Tarifverträge damit einmal mehr als wichtiger Garant zur Stabilisierung von Einkommen.”

Wir sind der Wandel-NewsletterAber nicht nur auf die Tarifbindung kommt es an. Beim Weihnachtsgeld gibt es auch erhebliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Im Westen erhalten 56 Prozent der Beschäftigten, im Osten dagegen nur 43 Prozent der Mitarbeitenden ein 13. Monatsgehalt. Klarer Grund: Im Osten ist die Tarifbindung geringer. Einen Unterschied macht aber auch, ob man Vollzeit oder Teilzeit arbeitet. Bei Vollzeitbeschäftigten ist der Erhalt von Weihnachtsgeld mit 55 Prozent etwas verbreiteter als bei Teilzeitbeschäftigten, von denen 50 Prozent eine entsprechende Sonderzahlung bekommen. Auch spielt eine Rolle, ob die Anstellung befristet oder unbefristet ist. Während lediglich 48 Prozent der Beschäftigten mit Befristung Weihnachtsgeld erhalten, sind es bei den Unbefristeten 54 Prozent. Leichte Unterschiede gibt es zudem zwischen den Geschlechtern. Der Studie zufolge bekommen Männer mit 55 Prozent immer noch etwas häufiger Weihnachtsgeld als Frauen, von denen 52 Prozent diese Sonderzahlung erhalten.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.