Wertschätzung ist eine wichtige Ressource, die Konfliktpotenzial verringert und zu mehr Beliebtheit führt. Ob und wie Wertschätzung zu üben ist, beantwortet Dörthe Huth im Interview.
Wertschätzung bereichert das Zusammenleben mit anderen Menschen auf allen Gebieten. Denn wertschätzendes Verhalten ist eng mit Wohlwollen, Freundlichkeit, Anerkennung und Respekt verbunden. In ihrem aktuellen Ratgeber 30 Minuten Wertschätzung vermittelt die Psychologin Dörthe Huth, wie jeder wertschätzend im Alltag kommunizieren kann, welche Verhaltensmuster dabei im Wege stehen können und wie man Wertschätzung dauerhaft verinnerlichen kann.
Frauen haben etwas zu sagen, sie müssen allerdings den Raum erhalten, das auch zu tun! Diesen bieten wir mit unserem Format DIE CHEFIN-TALK.
Hier laden wir Frauen ein, mit uns über ihr Thema zu sprechen.
Die Ratgeber: Wozu brauchen wir Wertschätzung?
Dörthe Huth: Schon ein kleines bisschen mehr Wertschätzung macht das Zusammenleben angenehmer, die Zusammenarbeit attraktiver und die Arbeitsstelle interessanter. Ein gutes Arbeitsklima ist für viele Menschen das Wichtigste im Beruf. In Gesprächen beklagen aber recht viele Menschen gerade ein wenig wertschätzendes Arbeitsklima. Wir brauchen Wertschätzung, um uns geschätzt zu fühlen, als ein wichtiger Bestandteil eines großen Ganzen. Zudem stärkt Wertschätzung die soziale Kompetenz, verbessert Beziehungen und bereichert die Welt insgesamt. Menschen mit einer wertschätzenden Haltung betrachten das Leben insgesamt als Bereicherung und strahlen häufig Zufriedenheit aus. Sie nehmen andere Menschen ernst, sind flexibel im Denken und sind an Win-win-Situationen interessiert. Wertschätzung ist eng mit Wohlwollen, Anerkennung, Freundlichkeit, und Respekt verbunden. Meiner Meinung nach täte ein bisschen mehr Wertschätzung dem Zusammenleben insgesamt gut und dazu kann jeder von uns seinen Anteil beitragen.
“Wertschätzung bedeutet für mich, sich dem anderen eine Weile ganz zu widmen, mit ihm in Beziehung zu gehen und ihn mit seinen Besonderheiten wahrzunehmen”
Die Ratgeber: Ist Wertschätzung zu üben?
Huth: Je früher jemand Wertschätzung erlernt, umso selbstverständlicher und authentischer wird sie ihm zu eigen. Es ist an verschiedenen Stationen des Lebens interessant, sich der eigenen Wertschätzung bewusst zuzuwenden und sich beispielsweise zu fragen: wann und wem gegenüber bin ich wertschätzend und an welchen Stellen nicht? Wertschätzung bedeutet für mich, sich dem anderen eine Weile ganz zu widmen, mit ihm in Beziehung zu gehen und ihn mit seinen Besonderheiten wahrzunehmen. Das drückt sich zum Beispiel dadurch aus, dass wir bestimmte Vorlieben, Gewohnheiten oder Zustände des anderen erfassen, ihm beispielsweise ein Lob für eine besondere Leistung zukommen lassen oder ein Dankeschön für eine besondere Zuwendung formulieren. Unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern reichen da schon minimale Zeiteinheiten von wenigen Minuten, um dem anderen zu signalisieren: „Ich höre Ihnen zu. Was Sie sagen, ist mir wichtig. Sie sind mir wichtig!“ Natürlich kann man das trainieren und ausbauen, dazu bietet der Alltag unendlich viele Möglichkeiten.
Die Ratgeber: Was sind Folgen mangelnder Wertschätzung?
Huth: In ihrem Arbeitsalltag fühlen sich viele Menschen kaum wertgeschätzt, weil ihre guten
Leistungen als selbstverständlich betrachtet werden und Lob und Anerkennung deshalb häufig ausbleiben. Abwertungen, Respektlosigkeiten oder Geringschätzung können zudem am Selbstvertrauen nagen und die Motivation hemmen.
Chefs und Führungskräfte sind Vorbilder, die, sofern sie keine Wertschätzung aussenden, diese auch nicht von ihren Mitarbeitern erwarten können. Bleibt Wertschätzung in einem Unternehmen aus, leidet das Arbeitsklima. Wahrscheinlich arbeiten die Mitarbeiter weniger engagiert und damit auch weniger effizient, der Krankenstand wird höher sein und ebenso die Motivation, innerlich zu kündigen oder sich um eine neue Stelle zu bemühen. In Gesprächen berichten mir Arbeitnehmer häufig, dass ihre Firma ihnen das Signal aussendet, dass jeder Mitarbeiter ersetzbar und damit unwichtig ist. So können sich Mitarbeiter kaum mit ihrem Unternehmen identifizieren und Kunden binden. Insofern sind Wertschätzung und Unternehmenserfolg für mich eng miteinander verwoben.