Authentisch gelebt, ist Kindness ein Prinzip, das sich strategisch einsetzen lässt, um den Erfolg eines Unternehmens zu steigern. Oona Horx Strathern erläutert im Interview, was die entscheidenden Faktoren einer Kindness-Strategie sind.
Unternehmen, die ihren wirtschaftlichen Erfolg nicht auf Kosten des sozialen und ökologischen Wohlergehens aufbauen, stehen für eine “Kindness Economy”. Dabei setzen sie auf Freundlichkeit, Empathie, Mitgefühl sowie auf eine nachhaltigere und inklusivere Wirtschaft. Das heißt, sie handeln eben nicht nur im eigenen Interesse, sondern tragen positiv zur Gesellschaft und Umwelt bei. Dazu gehören unter anderem faire Löhne, flexible Arbeitsbedingungen, eine ethische Beschaffung, umweltfreundliche Produktionsmethoden, Transparenz bezüglich der Betriebsabläufe und Lieferketten, Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks, die Verwendung erneuerbarer Ressourcen, die Minimierung von Abfall und Umweltverschmutzung, die Unterstützung lokaler Initiativen, die Beteiligung an philanthropischen Aktivitäten, die Umsetzung von Programmen zur Lösung sozialer Probleme uvm.
Statt immer nur linear auf Gewinnmaximierung zu schauen, sind wir mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem wir zuerst an die Menschen, dann an unsere Erde und zum Schluss an den Profit denken sollten. Wie diese Kindness-Revolution aussehen kann, erzählt Oona Horx Strathern im Interview.
Frauen haben etwas zu sagen, sie müssen allerdings den Raum erhalten, das auch zu tun! Diesen bieten wir mit unserem Format DIE CHEFIN-TALK.
Hier laden wir Frauen ein, mit uns über ihr Thema zu sprechen.
Wir sind der Wandel: Was war die Motivation für Ihr Buch Kindness Economy?
Oona Horx Strathern: Als Trendforscherin beschäftige ich mich mit Entwicklungen und Verhaltensweisen. Dabei begegnen mir immer wieder Begriffe, die mich nachhaltig beschäftigten. So ging es mir zum Beispiel mit dem Buch Rebuild von Mary Portas. Hier setzt sich die britische Retail-Beraterin mit dem Begriff “Kindness Economy” auseinander. Gleichzeitig beklagen sich immer mehr Menschen über unsere “Unkind Economy”. Sie beklagen die Defizite und Probleme, ausgelöst von unseren modernen Wirtschaftssystemen. Das heißt, wir benötigen einen Gegentrend – und damit setze ich mich in meinem Buch Kindness Economy auseinander.
“Der Ruf nach einer sozial gerechten, umweltfreundlichen und auf das Wohl der Menschen ausgerichteten Gesellschaft wird immer lauter”
Wir sind der Wandel: Was genau verstehen Sie unter “Kindness Economy”?
Horx Strathern: Denken wir zuerst an die Menschen, anschließend an unseren Planeten und erst dann an den Profit, leben wir eine “Kindness Economy”. Für viele Unternehmen ist es jedoch genau umgekehrt. Für sie kommt erst der Profit, dann ihre Beschäftigten und am Ende die Nachhaltigkeit. Dabei wird der Ruf nach einer sozial gerechten, umweltfreundlichen und auf das Wohl der Menschen ausgerichteten Gesellschaft immer lauter. Das heißt, wir müssen Führungskräfte davon überzeugen, statt größer, schneller und immer billiger zu produzieren, auf Werte wie Respekt, Fürsorge und Verständnis zu setzen.
Oona Horx Strathern ist als Trend- und Zukunftsforscherin tätig. Gemeinsam mit ihrem Mann Matthias Horx gründete sie vor über 20 Jahren das Zukunftsinstitut – eine der wichtigsten Institutionen, wenn es um Zukunftsforschung geht. In ihrem Buch Kindness Economy, das jüngst im Gabal Verlag erschienen ist, beschäftigt sich die gebürtige Irin mit der Freundlichkeit – und wie sie strategisch in und von Unternehmen eingesetzt werden kann.
Wir sind der Wandel: Wie überzeugt man Führungskräfte von dieser Notwendigkeit?
Horx Strathern: Obwohl eine freundliche und unterstützende Unternehmenskultur bekanntermaßen ein wichtiger Bestandteil des langfristigen Erfolges eines Unternehmens ist, erfordert ein Umdenken auch einen Bruch mit traditionellen Denkmustern. Das betrifft vor allem Organisationen, in denen die bestehende Kultur stark hierarchisch oder traditionsgebunden ist. Das ist keine leichte Aufgabe.
Eine Möglichkeit ist, Führungskräfte von der Notwendigkeit einer “Kindness Economy” zu überzeugen, wenn man die Vorteile klar und direkt mit ihren Zielen und Interessen verknüpft. Unterstützen kann dabei ein “Chief Kindness Officer”, der sich darauf konzentriert, die Freundlichkeit, Empathie und das soziale Engagement im Unternehmen zu fördern. Der ein Unternehmensumfeld schafft, in der Wertschätzung, Zusammenarbeit und Unterstützung gefördert und gelebt werden. Einen individuellen Rahmen für mehr “Kindness” im Unternehmen können Organisationen mit einem “Kindness Performance Indicator”, einem Freundlichkeits-Score, erzielen. Der Vorteil: Dieser kann gemeinsam im Diskurs mit allen Führungskräften und Beschäftigten für das Unternehmen definiert werden.
“Die ‘Kindness Economy’ ist ein absoluter Wettbewerbsvorteil”
Ich befürchte jedoch, dass viele Unternehmen erst umdenken werden, wenn entweder eine große Krise oder ein Gesetz sie dazu nötigt. Der “Better Business Act” zum Beispiel ist in Großbritannien ein Vorschlag für ein Gesetz, das darauf abzielt, Unternehmen zu verpflichten, ihre sozialen und umweltbezogenen Verantwortlichkeiten stärker zu berücksichtigen. Das Ziel: Unternehmen dazu zu bewegen, nicht nur Gewinne zu maximieren, sondern auch soziale und umweltbezogene Auswirkungen in ihre Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Unternehmen sollen sich also nicht nur gegenüber ihren Aktionären verantwortlich fühlen, sondern eben auch gegenüber ihren Beschäftigten, Kundinnen und Kunden, der Gesellschaft und der Umwelt.
Wir sind der Wandel: Können sich Unternehmen in der heutigen Zeit überhaupt noch erlauben, nicht auf “Kindness” zu setzen?
Horx Strathern: Die “Kindness Economy” ist ein absoluter Wettbewerbsvorteil – vor allem bei der Suche nach Arbeitskräften. Denn der Generation, die aktuell auf den Arbeitsmarkt strömt, sind menschliche Faktoren enorm wichtig. Sie suchen Arbeitgeber, die sozial verantwortlich handeln. Die ihre Werte teilen und ihnen eine Arbeitsumgebung schafft, die nicht nur auf wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch auf menschenzentrieten Werten basiert. Wer das konsequent ignoriert, wird langfristig starke Probleme bei der Besetzung seiner Stellen haben.