Wer zeitnah abschlagsfrei in Rente gehen kann, darf bei betriebsbedingten Kündigungen, wo eine Sozialauswahl erfolgen muss, eher berücksichtigt werden.
Das geht aus einem neuen Urteil des Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hervor. (Az: 6 AZR 31/22). Demach ist es erlaubt, dass Arbeitgeber und Betriebsrat diese bei einem sogenannten Interessenausgleich eher berücksichtigen als jene Beschäftigte, die noch keine abschlagsfreie Rente in Anspruch nehmen können.
Schutzbedürftigkeit nimmt mit Alter zu
Konkret ging es um einen Stellenabbau bei einem Stahlunternehmen in Nordrhein-Westfalen. Wegen Insolvenz wurde das Unternehmen zunächst stark reduziert und dann ganz stillgelegt. Dabei kam es zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber zu einem Interessenausgleich. Auf der Auswahlliste stand auch der Name einer Mitarbeiterin, die im Alter von 63 eine abschlagsfreie Rente in Anspruch nehme konnte. Andere, jüngere Kollegen, die kürzer im Unternehmen waren, wurden hingegen zunächst noch nicht gekündigt. Die Frau klagte gegen die Entscheidung und verwies dabei auf ihr Alter und ihre lange Betriebszugehörigkeit. Der Insolvenzverwalter hielt die Auswahl jedoch für gerechtfertigt. Und argumentierte, dass die Frau ja die Möglichkeit hatte, eine abschlagsfreie Rente für langjährig Versicherte zu beziehen.
Die Richterinnen und Richter urteilten nun, dass Arbeitgeber und Betriebsrat die Möglichkeit einer zeitnahen abschlagsfreien Rente berücksichtigen können. Zwar nehme die Schutzbedürftigkeit mit dem Alter zu, sie falle aber wieder, wenn Betroffene spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses über ein Ersatzeinkommen in Form einer abschlagsfreien Rente wegen Alters verfügen könnten. Davon ausgenommen sei lediglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen, so das BAG.
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