Überstunden: Mitarbeiter sollten genau Buch führen

Wanduhr zeigt die Uhrzeit zehn vor sechs an

Über ihre Mehrarbeit sollten Beschäftigte genau Buch führen. Denn kommt es zum Streit mit dem Vorgesetzten, sind Mitarbeitende in der Beweispflicht.

Ohne besondere Regelungen über eine Mehrarbeit dürfen Arbeitgeber nur in Notfällen Überstunden anordnen – auf keinen Fall jedoch bei dringenden Auftragslagen. Ein Notfall wäre beispielsweise der Ausfall einer Maschine, die nur von dem betroffenen Beschäftigten wieder in Gang gesetzt werden kann. Die meisten Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträge regeln die Höhe der Arbeitszeit – und häufig auch die Mehrarbeit und in welchem Zeitraum diese vorher anzukündigen ist.

Das Arbeitsgericht Frankfurt/Oder hat entschieden, dass ein Arbeitgeber mindestens vier Tage im Voraus seine Beschäftigten über die anstehende Mehrarbeit zu informieren hat. Der Grund: Den Mitarbeitenden muss ein Mindestmaß an Gestaltungsmöglichkeiten für ihr Privatleben eingeräumt werden (Az.: 7 Ca 3154/04).

Besondere Regelungen für gewisse Beschäftigte

Das Arbeitszeitgesetz sieht eine Höchstarbeitszeit von acht Stunden werktäglich vor. Dabei heißt werktäglich, von Montag bis Samstag. Sie kann um zwei weitere Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen der Durchschnitt von acht Stunden pro Werktag nicht überschritten werden.

Besondere Regelungen gelten für schwerbehinderte Beschäftigte (sie sind auf Wunsch auszunehmen), Jugendliche (nicht mehr als acht Stunden täglich) und werdende Mütter über 18 Jahre (maximal achteinhalb Stunden pro Tag oder 90 Stunden in der Doppelwoche).

Beschäftigte haben keinen Anspruch auf Überstunden

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtWerden Überstunden angeordnet, müssen Arbeitgeber die Interessen der Mitarbeitenden berücksichtigen. So müssen sie für Mütter mit Kindern Alternativen zu Überstunden anbieten. Auf der anderen Seite haben Beschäftigte keinen Anspruch auf Überstunden. Arbeitgeber dürfen sie nur nicht gegenüber vergleichbaren Beschäftigten bei der Vergabe von Mehrarbeit benachteiligen.

Beispiel: Macht die Auftragslage eines Unternehmens 20 Stunden Mehrarbeit nötig, muss der Arbeitgeber auf Wunsch die Stunden gleichberechtigt auf seine Beschäftigten aufteilen. Auf dieses Recht pochen Mitarbeitende meist dann, wenn Überstunden vergütet werden.

Eine Vergütung der Überstunden muss der Arbeitgeber nur dann zahlen, wenn er die Mehrarbeit angeordnet hat. Schuften Beschäftigte eigenständig länger als gefordert, ergibt sich daraus kein Recht auf eine zusätzliche Vergütung. Das ändert sich, wenn der Arbeitgeber eine Aufgabe zur sofortigen Erledigung stellt.

Möglichkeiten der Vergütungsregelung von Mehrarbeit:

  • einige Arbeitgeber verhandeln konkrete Stundensätze,
  • andere vereinbaren – insbesondere für außertarifliche Beschäftigte – bestimmte Überstundenrahmen, die durch das normale Gehalt gedeckt sind.
  • Auch ein Freizeitausgleich für Überstunden ist möglich.

Existiert gar keine Regelung, haben Mitarbeitende für Mehrarbeit mindestens Anspruch auf die normalen Stundenlöhne. Nur leitende Angestellte müssen ohne spezielle Vereinbarungen Überstunden im Rahmen ihres regulären Gehalts akzeptieren.

Betriebsräte haben ein Mitbestimmungsrecht

Betriebsräte haben bei Überstunden stets ein Mitbestimmungsrecht in jedem einzelnen Fall, auch im Eilfall. Werden sie übergangen, können die Beschäftigten die Überstunden verweigern, oder der Betriebsrat kann im Wege der einstweiligen Verfügung einen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber durchsetzen.

Über ihre Mehrarbeit sollten Mitarbeitende genau Buch führen. Denn kommt es zum Streit mit Vorgesetzten, sind die Beschäftigten in der Beweispflicht. Auch sollten sie sich die Überstunden regelmäßig vom Arbeitgeber bestätigen lassen. Damit lässt sich Streit darüber vermeiden, ob dieser die Überstunden überhaupt wollte. Formal juristisch genügt es zwar, wenn Vorgesetzte von den Überstunden Kenntnis haben und sie zulassen. Aber auch dies muss man beweisen können.

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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.