Laut Mikrozensus 2023 sind weniger als sechs Prozent der erwerbstätigen Frauen selbstständig. Der Gender Pay Gap in der freien Projektarbeit liegt dabei bei nur noch bei unter vier Prozent.
Frauen sind in selbstständigen Berufen auch 2024 extrem unterrepräsentiert: Laut Mikrozensus sind weniger als sechs Prozent der erwerbstätigen Frauen ihre eigene Chefin. Bei den Freelancer:innen liegt ihr Anteil laut Freelancer-Kompass, der größten Marktstudie im deutschsprachigen Raum, bei 14 Prozent. Unternehmerin und Publizistin Cathi Bruns verweist auf fehlende Vorbilder und eine schwach ausgeprägte Gründungskultur in Deutschland.
Frauen wählen häufiger Berufe in Marketing, Kommunikation, Grafik, Content und Medien: Laut Freelancer-Kompass sind 36,8 Prozent der weiblichen Befragten kreativ tätig, bei den männlichen Freelancern sind es nur acht Prozent. Männer dominieren die besser bezahlten technischen Jobprofile wie SAP-Spezialisten oder IT-Infrastruktur- Experten: Jeder fünfte Mann (gegenüber sieben Prozent der Freelancerinnen) arbeitet in diesem Bereich. „Zumindest sehen wir, dass Frauen in beratenden oder Management-Berufen, wo mit 118 Euro der aktuell höchste Stundensatz gezahlt wird, deutlich aufgeholt haben: 32 Prozent der weiblichen Befragten gehören dieser Gruppe der Spitzenverdiener:innen an. Ihr Anteil liegt innerhalb ihrer Peergroup damit sogar gut fünf Prozentpunkte höher als bei den Männern“, betont Thomas Maas, CEO der Projekt-Plattform freelancermap und Herausgeber der Studie.
„Mir hat Selbstständigkeit Selbstbestimmung gebracht“
In absoluten Zahlen bleibt viel Luft nach oben: Da 86 Prozent der Befragten männlich sind, sind nur knapp ein Sechstel der Freelancer:innen in beratenden oder Management-Berufen Frauen. Warum ist das so? Cathi Bruns, die mehrfach gegründet hat, Bücher zu diesem Thema schrieb und mit Selbstständigen und Unternehmen an Positionierung und kreativer Format- und Markenentwicklung arbeitet, sieht die Ursache nicht nur in alten Rollenbildern und kultureller Prägung. Ihr Befund: Wir versäumen es, in Bildung und Gesellschaft „frühzeitig unternehmerische Denk- und Handlungsprinzipien zu vermitteln und Vorbilder zu zeigen, damit klar ist, dass uns Frauen die Welt offensteht.“
Frauen, die sich trauen, finden in der Selbstständigkeit bessere Chancen, entsprechend ihrer Leistung und Qualifikationen bezahlt zu werden: Der Gender-Pay-Gap unter Solo-Selbstständigen betrug laut Freelancer-Kompass zuletzt nur noch vier Prozent, während weibliche Angestellte durchschnittlich 18 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Freelancerinnen profitieren auch von höherer sozialer Mobilität und mehr Unabhängigkeit: „Für mich hat die Selbstständigkeit das ganze Leben verändert, mir wahnsinnig tolle Chancen geliefert und Selbstbestimmung gebracht“, betont Bruns. Eine Gefahr, dass selbstständige Frauen bei der Zeiteinteilung stärker mit Care-Aufgaben belastet würden, sieht sie nicht: „Es ist nicht die Arbeit, die uns fertigmacht, sondern die Fremdbestimmung.“
Ein Problem bleibt: Mutterschutz und Babypause
Sie ermuntert Frauen daher, unternehmerisches Selbstbewusstsein zu entwickeln, ihre Stärken bewusster einzusetzen und eine stimmige fachliche Positionierung zu erarbeiten: „Die Selbstständigkeit liefert die besten Möglichkeiten, sich mit einem ganz eigenen Angebot am Markt zu beweisen“, so Bruns. Den Anstoß dazu müsste keine speziell auf Frauen oder Mädchen ausgerichtete Förderung geben: „Mädchen und Frauen werden heute sehr stark zu MINT-Fächern und entsprechenden Studiengängen gefördert, und das ist auch gut, aber trotzdem bleiben sie dort bisher unterrepräsentiert.“ Sie wünscht sich einen Kulturwandel: „Entrepreneurship Education gehört für mich fächerübergreifend in jede Schule, jede Uni und jeden Betrieb. Nicht, weil die Schule Unternehmertum beibringen könnte, sondern damit Gründungsinteresse kultiviert wird.“
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Dass selbstständige Frauen, vor allem mit Kinderwunsch, es schwerer haben als Angestellte, ist ihr bewusst. Die Pläne der Regierung, eine Pflichtversicherung für die Altersvorsorge von Freelancer:innen und Selbstständigen einzuführen, bezeichnet sie als „Kompromiss, mit dem ich leben kann“. Die Debatte zeigt aber auch, dass die Lage selbstständiger Mütter noch immer nicht voll verstanden wird. Diese könnten schon heute vorsorglich Mutterschaftsleistungen über ihre Krankenversicherung abdecken. Allerdings sei die Beitragsbemessung der Gesetzlichen nach wie vor unfair – „und der größte Knackpunkt dürfte gar nicht die persönliche Absicherung der Frau, sondern eine mögliche Absicherung ihres Betriebs sein.“ Hier fehlten bislang Ideen, kritisiert Bruns.
„Zur Selbstständigkeit gehört die Selbstständigkeit”
Frauen sollten sich davon nicht abschrecken lassen, so die Multi-Unternehmerin: „Zur Selbstständigkeit gehört die Selbstständigkeit” – also die Freiheit, aber auch die Verantwortung, individuelle Lösungen zu finden. Das kann die Aufgabenteilung mit Partner:innen sein, die Einbindung von Mitarbeitenden oder Freelancer-Kolleg:innen. Bruns ist jedenfalls überzeugt, dass Frauen sehr davon profitieren können, wenn sie sich in der Rolle der eigenen Chefin ausprobieren. Allerdings rate sie „auch jedem, unternehmerisch zu arbeiten, nicht bloß selbstständig.”