In Deutschland gründen nur wenige Frauen Start-ups, doch sie erhalten zunehmend Wagniskapital. Trotz Hürden steckt Potenzial in ihnen: Mehr Gründerinnen könnten Innovation fördern und Wachstum antreiben.
In Deutschland machen Frauen nur 19 Prozent der Start-up-Gründer aus, und dieser Anteil ist im letzten Jahr sogar leicht gesunken. Hauptprobleme: Zu wenig Anreize im Bildungssystem, Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Care-Arbeit und Beruf sowie fehlende Zugänge zu relevanten Netzwerken. Eine Studie des Startup-Verbands im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zeigt jedoch: Trotz des geringen Frauenanteils sichern sich Gründerinnen zunehmend mehr Wagniskapital. Sie könnten so zu zentralen Treibern einer neuen Wachstumsphase im Start-up-Ökosystem werden.
- Frauen in Deutschland zeigen Unternehmergeist
- Vielfalt und Inklusion in deutschen Start-ups noch ausbaufähig
- Wirtschaftliches Potential durch Frauenquote ausschöpfen
- Gründen wird immer mehr zur Frauensache
- Vielfalt wird für den Geschäftserfolg immer bedeutender
- Dossier Gründung
Der Gendergap in der Start-up-Welt wurzelt bereits in frühen Lebensphasen. Es fehlen Vorbilder, und das Bildungssystem durchbricht bestehende Muster nicht ausreichend. Ein weiterer Hemmschuh für Gründerinnen sind die Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum. Frauen stehen hier vor strukturellen Barrieren. Das zeigt die Studie, für die der Startup-Verband deutschlandweit weit über 1.800 Start-up-Unternehmer:innen und 1.000 Studierende befragt hat.
Gendergap öffnet sich schon früh
“Deutschland kann es sich nicht leisten, auf das Potenzial von Frauen zu verzichten. Sie sind die größte stille Reserve unseres Landes”, sagt Verena Pausder, Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands. “In Zeiten wirtschaftlicher Stagnation brauchen wir alle, die unsere Wirtschaft nach vorne bringen. Startups sind entscheidend, um neue Impulse zu setzen und wieder Dynamik zu entfalten. Mehr Gründerinnen bedeuten mehr Innovation in Deutschland.”
Tradierte Rollenbilder beeinflussen die Karrierepräferenzen junger Menschen und stellen bereits in der Jugend und im Studium die Weichen für den Gendergap im Start-up-Ökosystem. Rund zwei Drittel der Start-up-Gründer:innen in Deutschland planen ihre Gründung bereits als Jugendliche oder während des Studiums. Bei den Frauen liegt der Anteil mit 43 Prozent deutlich niedriger.
Frauen setzen im Studium andere Prioritäten als Männer. 60 Prozent der Studentinnen streben einen sicheren Arbeitsplatz an, während das nur für 32 Prozent der männlichen Studierenden wichtig ist. Das zeigt, wie gesellschaftliche Erwartungen das Risikobewusstsein von Frauen und Männern unterschiedlich prägen und dazu führen, dass Frauen seltener früh den Weg in Richtung Start-up gehen.
Berufliche Erfahrung ermutigt Frauen zur Gründung
Erst später im Beruf ändert sich der Blick der Frauen auf Start-ups: Ein Drittel der Gründerinnen entscheidet sich in den ersten Berufsjahren zur Gründung, ein weiteres Viertel sogar erst im weiteren Karriereverlauf.
“Es wird deutlich, dass Unternehmertum nicht am fehlenden Interesse scheitert – sondern an Rahmenbedingungen, die erst später in der Laufbahn zur Selbstständigkeit ermutigen. Frauen ziehen ihre Gründungsmotivation stärker aus beruflicher Erfahrung und wollen häufiger gesellschaftlich wirken”, sagt Jennifer Eschweiler, Gründungsexpertin der Bertelsmann Stiftung.
Kulturwandel notwendig: Die Veränderung beginnt im Kopf
Der Report zeigt, dass ein Kulturwandel nötig ist. Gründerinnen sehen den Gendergap häufiger als Problem als ihre männlichen Kollegen – 87 Prozent der Frauen sehen hier eine Herausforderung, während nur die Hälfte der Männer dies als Problem wahrnimmt. Interessant: In gemischten Teams steigt das Problembewusstsein der Männer auf 64 Prozent. Es zeigt sich, wie wichtig es ist, dass sich männlich geprägte Netzwerke weiter öffnen und diverser werden.
Eng verbunden mit dem Thema Kulturwandel ist die Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum. Die Familiengründung fällt oft zeitlich mit der Unternehmensgründung zusammen, und Frauen leisten nach wie vor den Großteil der Care-Arbeit. Mit 81 Prozent der Gründerinnen und 60 Prozent der Gründer sehen beide Geschlechter hier den wichtigsten Hebel zur Erhöhung des Gründerinnenanteils.
Positiver Trend bei Investments – doch große Schieflage bleibt
Immer mehr Investor:innen erkennen das Potenzial weiblicher Start-ups: Seit 2017 hat sich die Zahl der Risikokapital-Finanzierungen für Start-ups mit mindestens einer Gründerin fast verdoppelt, das investierte Kapital sogar vervierfacht. Dennoch fließen weiterhin 91 Prozent des Wagniskapitals in rein männliche Gründungsteams. Das zeigt, dass gezielte Maßnahmen zur Förderung von Frauen im Investmentbereich weiterhin notwendig sind und welches Potenzial für die nächste Wachstumsphase hier noch vorhanden ist.
“Gründerinnen den Weg zu ebnen, ist daher eine Gemeinschaftsaufgabe”, sagt Julia Scheerer. Wirtschaftsexpertin bei der Bertelsmann Stiftung. “Frauen werden durch fehlende Vorbilder und Stereotype gebremst. Politik, Investor:innen und das gesamte Startup-Ökosystem sind gefordert, für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen. Denn eines ist klar: Mehr Gründerinnen bedeuten mehr Innovation – und mehr Innovation brauchen wir für eine erfolgreiche Zukunft.”