Spesenbetrug: Wenn Vertrauen zerbricht

Frau gießt Glas Wasser ein

Spesenbetrug ist kein Kavaliersdelikt – auch dann nicht, wenn der finanzielle Schaden gering bleibt.

Ein Fall aus der Automobilindustrie zeigt, wie konsequent Unternehmen reagieren, wenn Mitarbeitende ihre Abrechnungspflichten verletzen. Er verdeutlicht zudem, welche arbeitsrechtlichen Maßstäbe Gerichte anlegen.

Mitarbeitende eines Automobilherstellers nehmen regelmäßig an mehrtägigen Schulungen teil. Für diese Reise übernimmt das Unternehmen Übernachtungskosten und zahlt Verpflegungspauschalen. Wichtig: Wer kostenfreie Mahlzeiten erhält, muss dies im elektronischen Abrechnungssystem angeben – ein einfacher Haken genügt, um die Pauschale automatisch zu kürzen.

Der Verstoß fällt auf

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtIn einem Fall änderte ein Hotel auf Nachfrage seine Rechnungen so, dass die enthaltenden Frühstückskosten nicht mehr erkennbar waren. Ein Teilnehmender nutzte dies aus: Er verzichtete darauf, im System anzugeben, dass ihm Frühstück gestellt wurde. Sein Vorteil: 19,20 Euro.

Eine spätere systematische Prüfung der Abrechnungen deckte die Unstimmigkeit auf. Nach internen Befragungen kündigte das Unternehmen mehreren Mitarbeitenden fristlos, hilfsweise ordentlich. Der Betriebsrat wurde einbezogen. Einer der Betroffenen klagte – ohne Erfolg.

Illoyalität wiegt schwerer als der Betrag

Vor Gericht argumentierte der Kläger, die Daten hätten nicht verwendet werden dürfen, da der Betriebsrat der Auswertung nicht zugestimmt habe. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies diese Sichtweise jedoch klar zurück (Az. 1 Sa 374/20).

Die Richter:innen stellten fest:
– Das Verschweigen des kostenlosen Frühstücks ist eine objektive Pflichtverletzung.
– Die Daten dürfen im Prozess verwendet werden, auch wenn interne Vorgaben verletzt wurden.
– Ein Verwertungsverbot gilt im Zivilprozessrecht nur in extremen Ausnahmefällen, etwa bei massiv rechtswidrig erlangten Informationen.

In diesem Fall lag kein solcher Eingriff vor. Entscheidend war die vorsätzliche Falschabrechnung, die auf persönlichen Vorteil abzielte. Sie zerstörte das Vertrauen, das sich im Arbeitsverhältnis aufgebaut hatte. Der Schaden von 19,20 Euro spielte keine Rolle – der Vertrauensbruch war ausschlaggebend.


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Warum keine Abmahnung?

Das Gericht sah keine Grundlage für eine Abmahnung. Wer bewusst falsche Angaben zu Spesen macht, weiß, dass Arbeitgeber dies nicht tolerieren können. Die Pflichtverletzung wiegt so schwer, dass eine Abmahnung ihre Warnfunktion nicht erfüllen würde. Der Fall zeigt: Unternehmen verlangen absolute Integrität, besonders bei finanziellen Angaben. Auch kleine Beträge können arbeitsrechtlich existenzielle Folgen haben, wenn sie vorsätzlich erschlichen werden.


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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.