Die mobile Arbeitswelt hat viele Schattenseiten – vor allem für Frauen. Dennoch gibt es sie, die besten Arbeitgeber für Frauen. Welche das sind, hat die Brigitte Academy mit Territory Embrace in einer aktuellen Studie herausgefunden.
Die Arbeitswelt hat sich nicht zuletzt durch die Pandemie enorm verändert. Neue Freiheiten wie beispielsweise das Home-Office haben aber nicht nur Vorteile. Gerade für Mütter kann diese Arbeitsform nachteilig sein: Mangelnde Sichtbarkeit, zunehmende Carearbeit, Calls bis spät abends. Janina Kugel, ehemalige Siemens-Personalvorständin, warnt daher auch: “Wir müssen aufpassen, dass die höhere Flexibilität nicht auf Kosten der Frauen geht.”
Welche Unternehmen die besten für Frauen sind, untersuchte die Brigitte Academy gemeinsam mit den Personalmarketing-Profis von Territory Embrace. Für ihre Studie Die besten Unternehmen für Frauen befragten sie zwischen März und Mai 2022 HR-Abteilungen und Geschäftsführungen von 281 Firmen in ganz Deutschland: Per Online-Fragebogen wurde unter anderem abgefragt, welche Maßnahmen in puncto Gleichstellung wichtig sind.
So sagten 82 Prozent der befragten Firmen, dass sie Maßnahmen wie Gesprächsregeln wie Online First bei hybriden Meetings oder Hilfsmittel wie digitale Whiteboards umsetzen, um zu verhindern, dass Heimarbeitende gegenüber den Kolleginnen im Büro benachteiligt werden. Die Allianz beispielsweise verwendet bei Meetings digitale Whiteboards, damit alle zeitgleich Zugriff auf die erstellten Notizen haben – egal, ob sie im Büro sitzen oder von zu Hause aus arbeiten.
“Die Sorgearbeit zu Hause ist immer noch sehr ungleich verteilt”
Auch das Risiko der Überlastung wird von den befragten Firmen ernst genommen – zumindest auf den ersten Blick: 96 Prozent geben an, dass ihre Beschäftigten in der Freizeit selbstverständlich nicht erreichbar sein müssen. Klare Guidelines, damit Vorgesetzte nicht doch sonntags anrufen, haben allerdings nur wenige.
Das größte Hindernis für Frauen in der neuen Arbeitswelt bleibt aber dasselbe wie in der alten, so Bettina Kohlrausch, die die Studie als Beirätin begleitet hat. Die Soziologin, die seit Jahren zur Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt forscht, weiß: “Die Sorgearbeit zu Hause ist immer noch sehr ungleich verteilt. Das liegt auch daran, dass Vollzeiterwerbstätigkeit so organisiert ist, dass wenig Spielraum für eine faire Verteilung der Sorgearbeit bleibt. Wenn wir das nicht ändern, wird sich auch in der Arbeitswelt für Frauen wenig ändern.”
Männer für Teilzeit begeistern
Wenn auch langsam, so scheinen doch viele Unternehmen das mittlerweile zu begreifen. Zumindest die, die an der Studie teilgenommen haben: Von Jahr zu Jahr gibt es immer mehr Firmen, die versuchen, Männer für Teilzeit zu begeistern oder sie zu ermutigen, ihre Vaterschaft aktiv zu leben. So gaben dieses Jahr 38 Prozent an, Jobsharing bis in die obersten Hierarchieebene anzubieten; bei der Befragung 2020 taten das erst 15 Prozent. Jede dritte befragte Firma stellt Väter nach der Geburt des Kindes bezahlt frei – zusätzlich zur gesetzlichen Elternzeit. Das Unternehmen To Good to Go zum Beispiel gewährt einen Monat Sonderurlaub.
Immer beliebter werden auch finanzielle Anreize. „Ich verdiene mehr als meine Partnerin“ ist schließlich nach wie vor das Hauptargument vieler Väter, wenn sie weiter Vollzeit arbeiten, während Mütter aus Betreuungsgründen im Job kürzertreten. Roche Diagnostics steuert hier gegen und belohnt seit 2021 Eltern mit einer Prämie, wenn sich beide für eine vollzeitnahe Teilzeit entscheiden. Und Vodafone stockt das Elterngeld auf.
Das neue Quotengesetz ist erfolgreich, allerdings nur bei den Zielen der Firmen
Trotz allem gibt es noch viel zu tun. Müssen Angehörige gepflegt werden, wird das noch immer von Frauen übernommen. Zwar gewähren 85 Prozent der Unternehmen in dieser Situation unbezahlten Urlaub. Doch nur 44 Prozent zahlen das Gehalt während der gesetzlichen Pflegetage weiter. Beim Spezialchemiekonzern Evonik Industries zum Beispiel gibt es bei längerer Freistellung Ausgleichzahlungen. Und nur 58 Prozent der befragten Unternehmen garantieren die Rückkehr in dieselbe Position.
Eine weitere Schwachstelle ist nach wie vor der Frauenanteil in Führungspositionen. Denn auch 2022 haben die befragten Firmen im Schnitt nur 27 Prozent weibliche Führungskräfte auf der ersten und 35 Prozent auf der zweiten Führungsebene – während die Gesamtbelegschaft im Schnitt zu 50 Prozent weiblich ist. Zwar ist das neue Quotengesetz erfolgreich, allerdings nur bei den Zielen der Firmen: Wer unter das Gesetz fällt, strebt deutlich höhere Quoten an. Frauen aber tatsächlich in den Vorstand zu holen, traut sich offenbar noch kaum jemand. Der Grund ist simpel, ist Kugel überzeugt: “Was auf dieser Ebene passiert, ist nach wie vor stark durch die Männer der Babyboomer-Generation geprägt. Und auch hier gilt das Mini-Me-Prinzip: Sie ziehen die nach oben, die ihnen ähnlich sind.”
Ana-Cristina Grohnert, Beirätin der Studie und von der “Charta der Vielfalt”, ärgert sich: “Jetzt, wo überall Leute fehlen, hört man dann wieder die Klage: Es gibt halt keine Frauen! Das ist so eine dumme Ausrede. Denn es gibt ja Firmen, die sich gute Frauen geholt und aufgebaut haben. Was es dafür braucht, wissen die meisten inzwischen. Doch es braucht eben auch den Willen, diese Frauen nach oben zu lassen. Der ist oft nicht da. Dafür kommt jetzt die Quittung. Zu Recht!” Ohne Vorgesetzte, die Frauen bewusst nach oben ziehen, wird es noch lange dauern. Wie wichtig das ist, zeigen Firmen wie die 3win Maschinenbau GmbH aus Aachen. So lässt sich die Geschäftsführerin Dagmar Wirtz viel einfallen, um Frauen an die Werkbänke und in die Geschäftsführung zu locken.