Die Forderung nach einem gesetzlichen Diskriminierungsverbot im Grundgesetz wird lauter, denn Altersdiskriminierung beginnt oft schon ab 45 Jahren. Zum internationalen Tag der älteren Menschen am 1. Oktober betrachten wir, welche Rolle ältere Beschäftigte in der Wirtschaft spielen.
Altersdiskriminierung beginnt oft schon ab 45 Jahren. Diese Beobachtung teilt Regina Görner, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO), im Podcast “Babyboomer zwischen Arbeit und Rente”. Betroffene fühlen sich oft „auf dem Abstellgleis“ und werden bei Weiterbildungen und Karrieremöglichkeiten zugunsten jüngerer Kolleg:innen übergangen.
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Görner spricht von einer strukturellen Unterschätzung älterer Beschäftiger und der anhaltenden Fehlwahrnehmung ihrer Leistungsfähigkeit, besonders im Kontext des Fachkräftemangels. Sie hat “keinerlei Mitleid mit den Arbeitgebern”, da diese selbst für die Situation verantwortlich seien. Arbeitgeber, die glauben, von Mitarbeitenden ab 55 Jahren „nichts mehr erwarten“ zu können, gingen „ausgesprochen schlampig“ mit wertvollen Ressourcen um, betont sie.
In der Lebensmitte noch lange nicht zu alt
Statt diese Altersgruppe abzuschreiben, fordert Görner einen genauen Blick auf deren Fähigkeiten und Kompetenzen. Ältere Mitarbeitende hätten oft einen Wissensvorsprung, gerade in lang etablierten Produktionsprozessen. Sie können Lösungen für Probleme anbieten, die Jüngere aufgrund mangelnder Erfahrung nicht haben. Als Beispiel nennt Görner Reparaturen an Maschinen, die seit 20 Jahren im Einsatz sind – ein Know-how, das viele jüngere Kolleg:innen nicht mitbringen.
Um die Arbeitskraft älterer Beschäftigter besser zu nutzen, sei es notwendig, langfristig in sie zu investieren. Arbeitgeber müssten überdenken, wie sie ihre Mitarbeitenden durch gezielte Weiterbildung und sinnvolle Angebote motivieren können. Fehlende Wertschätzung und negative Erwartungen könnten sich irgendwann im Verhalten und Selbstbild der Betroffenen niederschlagen, warnt Görner. “Was über Jahre hinweg eingetrichtert wurde, das holt einen irgendwann ein”, so Görner. Die massiven Kündigungswellen in den 1990er-Jahren hätten ein tief sitzendes Misstrauen hinterlassen, das auch heute noch spürbar sei.
Bewusstseinswandel in Unternehmen fördern
Görner erneuert die Forderung der BAGSO, Altersdiskriminierung explizit im Grundgesetz zu verbieten. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, dass insbesondere Mitarbeitende zwischen 45 und 65 Jahren von einem solchen Verbot profitieren würden. Dies sei besonders wichtig in Zeiten des Fachkräftemangels und der alternden Bevölkerung. Ein gesetzliches Diskriminierungsverbot könnte dazu beitragen, dass Menschen in der Mitte ihres Arbeitslebens nicht schon als „verbraucht“ betrachtet werden, sondern mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaft leisten.
Diese Forderung schließt an eine länger bestehende Debatte an, die den demografischen Wandel und den steigenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften in den Mittelpunkt stellt. Ein Verbot von Altersdiskriminierung im Grundgesetz würde nicht nur den Schutz älterer Mitarbeitender stärken, sondern auch einen Bewusstseinswandel in Unternehmen fördern.