Grundsatzurteil stärkt Entgeltgleichheit

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Kurz vor dem Weltfrauentag am 8. März hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Anspruch von Frauen auf gleiche Bezahlung gestärkt und ein weitreichendes Grundsatzurteil gefällt, das in dieser Deutlichkeit so vorher nicht erwartet wurde.

Demnach müssen Arbeitgeber, wenn sie höheren Lohnforderungen von Mitarbeitern nachgeben, diesen gleichen Lohnzuwachs auch den gleich qualifizierten Mitarbeiterinnen zugestehen (Az: 8 AZR 450/21). Im konkreten Fall hatte ein Metallunternehmen in Sachsen bei Neueinstellungen im Vertrieb ein Grundgehalt von 3.500 Euro brutto angeboten. Die spätere Klägerin nahm zu diesen Konditionen den Job an. Doch ein nur wenige Monate vorher eingestellter männlicher Kollege hatte mehr Geld haben wollen – und diesen Lohn auch erhalten. Seine Grundvergütung lag mit 4.500 Euro brutto deutlich über dem Gehalt der Klägerin. Im Zuge einer neuen Tarifregelung erhielten beide vorübergehend 3.500 Euro, der Mann dann aber wieder 4.000 Euro.

Benachteiligung wegen des Geschlechts

Wir sind der Wandel-NewsletterMit ihrer Klage verlangte die Frau eine Entschädigung aufgrund von Diskriminierung. Zudem forderte sie rückwirkend den gleichen Lohn. Sie habe die gleiche Arbeit gemacht und müsse daher die gleiche Vergütung bekommen wie ihr männlicher Kollege, so die Argumentation. Der Arbeitgeber rechtfertigte die Ungleichbehandlung mit dem besseren Verhandlungsgeschick des Mannes.

Dies sahen die ersten beiden Instanzen auch so. Hier scheiterte die Frau mit ihrem Anliegen. Nicht so vor dem BAG: Der Arbeitgeber habe ihr ein niedrigeres Grundgehalt als einem männlichen Kollegen bezahlt, obwohl beide die gleiche Arbeit verrichten. Daher bestehe die Vermutung, dass die Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgte.

Paukenschlag für die Entgeltgleichheit

Dem Arbeitgeber sei es auch nicht gelungen, diese Vermutungen zu widerlegen. Das Argument, der männliche Mitarbeiter habe ein besseres Verhandlungsgeschick, sei hier kein Argument. Auch nicht, wie der Arbeitgeber außerdem anführte, auf der Stelle sei vorher eine besser bezahlte Frau gewesen. Und so folgte das BAG der Argumentation der Klägerin. Die Frau erhält nicht nur 14.500 Euro entgangenen Lohn, sondern auch eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 2.000 Euro.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hatte die Klägerin unterstützt. Hier sprach man von einem “Paukenschlag” für die Entgeltgleichheit. Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, nannte das Urteil einen “Meilenstein für gerechte Löhne in Deutschland”. Und auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) kamen positive Worte. Arbeitgeber sollten regelmäßig überprüfen, ob Benachteiligungen bestünden – und diese aktiv beseitigen, so der DGB.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.