„Meine fehlenden Medienerfahrungen sind Fluch und Segen zugleich“

Katharina Wolff

Man kann sagen, dass Katharina Wolff die Verlagsbranche aufgemischt hat. Denn an den Erfolg eines Wirtschaftsmagazins für Frauen glaubte kaum jemand in der Medienbranche. Mit Strive belehrt die Verlegerin die Branche eines Besseren.

In einer sich ständig wandelnden Medienlandschaft stehen Printmagazine vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Mit der zunehmenden Verbreitung von Online-Medien und den sozialen Plattformen haben Printmagazine seit Jahren mit einer starken digitalen Konkurrenz zu kämpfen. Weil sich die Art und Weise, wie Menschen Inhalte konsumieren, mit dem Anstieg digitaler Medien verändert hat, müssen Printmagazine Wege finden, sich in diese neuen Lesegewohnheiten zu integrieren. Ferner ist die Herstellung und Verbreitung von Printmagazinen kostenintensiv: Druck, Papier, Vertrieb, Lagerung sowie die schrumpfenden Werbeeinnahmen sind Faktoren, die die Rentabilität von Printpublikationen beeinträchtigt.

Einige Verlegerinnen und Verleger haben erfolgreich Wege gefunden, mit diesen Herausforderungen umzugehen. Sie diversifizieren ihre Inhalte, konzentrieren sich auf Nischenmärkte und entwickeln innovative Strategien zur Interaktion mit ihrer Leserschaft. Eine davon ist Katharina Wolff, die 2020 die Strive Publishing GmbH gründete, um 2021 das Strive-Magazin herauszubringen. Dabei gründete die Hamburgerin nicht nur außerhalb eines etablierten Verlages und mitten in der Pandemie. Sie widmet sich auch einer Zielgruppe, an die ihre Konkurrenz nicht glaubt bzw. glaubte. Denn Wolff belehrt die Branche mit Strive eines Besseren.


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Wir sind der Wandel: Die Verlagsbranche kämpft seit Jahren mit sinkenden Auflagen und Werbeeinnahmen. Das Geschäft mit Medienprodukten ist entsprechend sehr herausfordernd geworden. Was war Ihre Motivation zur Gründung eines Magazins?

Katharina Wolff: Nach zehn Jahren in der Personalberatung verspürte ich 2019 den Drang, etwas Neues zu machen. Als Konsumentin der Wirtschaftspresse fehlte mir ein Magazin, dass nicht nur die Sicht von Frauen beinhaltet, sondern auch respektvoll über Führungsfrauen berichtet. Die Titelgeschichte eines bekannten Wirtschaftsmagazins mit Tina Müller im Juni 2019 ist ein gutes Beispiel dafür, wie negativ der Führungsstil von Managerinnen bewertet wird und wie sie auch sprachlich anders beschrieben werden. Solch eine abwertende Berichterstattung gibt es dort über Manager nicht. Das wollte ich ändern. Und so entstand die Idee für Strive, ein Magazin, das Wirtschaft neu denkt.

Die Verlagsgründung hingegen war nicht zwingend von Anfang an so geplant. Ich hatte durchaus überlegt bei einem großen Verlag zu verlegen. Als ich allerdings mit einigen der großen Verlage darüber sprach, warum es noch kein Wirtschaftsmagazin für Frauen gibt, wurde mir schnell klar, dass die gar nicht verstanden haben, wie lukrativ die Zielgruppe der karriereorientierten Frauen ist. Mir war also sofort klar, dass wir beim kleinsten Gegenwind eingestampft würden. Daher habe ich direkt selbst gegründet.

„Sehr hilfreich war, dass ein bekannter Investor wie Tarek Müller der Erste war, der zugesagt hat“

Wir sind der Wandel: Wie begründeten die Verlage ihre Entscheidung?

Wolff: Durchweg alle waren der Meinung, dass man mit einem Wirtschaftsmagazin für Frauen kein Geld verdienen kann. Eine Person sagte mir gar: „Du machst vier Hefte und dann hast du alle wichtigen Frauen in Deutschland abgebildet. Und was machst du dann?“ Da war mir klar, wenn ich ein Wirtschaftsmagazin für Frauen machen möchte, muss ich selbst einen Verlag gründen.

Wir sind der Wandel: Wie haben Sie Ihre Investoren überzeugt, in eine Branche zu investieren, von der behauptet wird, sie ist tot. Und auf eine Person zu setzen, die zu dem Zeitpunkt über keine Erfahrungen in der Medienbranche verfügte?

Wolff: Die sechs Investor:innen kannten mich bereits vorher. Sie wussten um meine Erfahrungen im Aufbau und dem erfolgreichen Führen eines Unternehmens. Ferner sahen auch sie das große Potenzial in der Zielgruppe. Dazu kommt, dass die Anfangsinvestitionen überschaubar waren. Die Investoren investierten insgesamt 200.000 Euro. Ich selbst steuerte ca. 250.000 Euro Eigenkapital dazu. Sehr hilfreich war dabei auch, dass ein bekannter Investor wie Tarek Müller der Erste war, der zugesagt hat. Und weil die Werbeumsätze von Ausgabe zu Ausgabe steigen – aktuell erwirtschaften wir gut 100.000 Euro Werbeeinnahmen pro Heft – konnten wir im zweiten Jahr noch einmal 350.000 Euro von den Investor:innen einsammeln, wobei Tarek Müller als Leadinvestor allein schon 300.000 Euro investiert hat.

„Die Customer Centric-Denke habe ich als Beraterin gelernt und nie wieder verloren“

Wir sind der Wandel: Was sollte man vor der Gründung eines Magazins beachten?

Wolff: Ich rate allen, ihre Idee so schnell wie möglich zu testen. Ich zum Beispiel habe alle Frauen aus meinem Netzwerk gefragt, ob sie den Bedarf für ein Wirtschaftsmagazin für Frauen sehen. Auch sollte man sich früh mit dem Markt auseinandersetzen und sich die Zahlen, Daten, Fakten genau anschauen. Weil ein Magazin sich gerade am Anfang mehr über Werbeeinnahmen als über Abos und Kioskverkäufe finanziert, sind Werbeeinnahmen essenziell. Deshalb habe ich mich intensiv mit dem Werbemarkt beschäftigt und festgestellt, dass ein Magazin, das ausschließlich auf online setzt, (noch) nicht funktioniert. Ein Blick auf die Werbetöpfe zeigt es: Gut 70 Prozent des Online-Budgets der Firmen fließen zu Facebook und Google. Der Printtopf schrumpft zwar, dafür haben wir aber auf 100 Prozent Zugriff. Obwohl der Printtopf also kleiner ist, sind hier Umsätze leichter möglich, da die Konkurrenz eben nicht ein Megaplayer wie z.B. Meta ist.

Wir sind der Wandel: Wie überzeugt man Werbekunden von einem neuen Produkt?

Wolff: Indem man sich auf seine Zielgruppe fokussiert und die Frage beantworten kann, warum sie spannend für die Werbekund:innen ist. Die Customer Centric-Denke habe ich als Beraterin gelernt und nie wieder verloren. Unser USP zum Beispiel ist eine sehr kaufkräftige Zielgruppe, die kein anderes Wirtschaftsmagazin hat: Im Schnitt ist unsere Leserin 42 Jahre alt, verfügt über ein Einkommen von ca. 90.000 Euro, lebt in einer Großstadt, ist in Festanstellung tätig sowie karriereorientiert.

Wir sind der Wandel-NewsletterEin weiterer Vorteil bei der Akquise war mein Netzwerk, dass ich mir in den letzten zehn Jahren durch meine Personalberatung aufgebaut habe. Auch der hohe Frauenanteil im Marketing war hilfreich. Hier musste ich bezüglich des Magazins keine Überzeugungsarbeit leisten. Und wer kann, sollte ruhig Namedropping betreiben, um trustworthy zu wirken. Ich habe zum Beispiel öfter erwähnt, dass Tarek Lead-Investor ist oder Tina Müller uns unterstützt – und schon hatte ich die Aufmerksamkeit.

„Die Fülle an Magazinen macht es uns Newcomern im Handel sehr schwer“

Wir sind der Wandel: Wie herausfordernd ist in der heutigen Zeit der Vertrieb eines Printmagazins?

Wolff: Die Fülle an Magazinen macht es uns Newcomern im Handel sehr schwer, einen guten, sichtbaren Platz zu bekommen. Daher haben wir ein Vertriebskonzept entwickelt, das aktuell zu uns passt: Von den 25.000 gedruckten Exemplaren gehen fast 5.000 Exemplare an Abonnentinnen und Abonnenten und weitere 5.000 Hefte in den Handel. Weil am Ende die nicht verkauften Exemplare vernichtet werden, kalkulieren wir hier sehr knapp. Mit der restlichen Auflage bemustern wir z.B. Ärzt:innen, Hotels sowie Wellnessanbieter und liegen in den Lufthansa Lounges.

Nur, weil alle Magazine einen Weg gehen, heißt es nicht, dass dieser auch zum eigenen Produkt passt. Mein Rat ist daher, sich nicht nur intensiv mit seinem Produkt und Markt auseinanderzusetzen, sondern auch selbstbewusst neue Wege zu gehen. Das kann am Ende genau der Weg sein, der zum Erfolg führt.

Wir sind der Wandel: Was war bisher Ihre größte Hürde?

Wolff: Meine fehlenden Medienerfahrungen sind Fluch und Segen zugleich. Ich mache Dinge richtig, die andere falsch machen; und ich mache Dinge falsch, die andere richtig machen. Wir haben beispielsweise nicht einen Dienstleister, der von Beginn an dabei ist. Da ich am Anfang nicht wusste, wonach ich sie auswählen soll, traf ich meine Entscheidung nach der Reputation. Nicht immer aber ist der größte oder der günstigste Anbieter auch der beste. Zum Glück überwiegen die Dinge, die ich richtig mache. Dennoch hätte ich gerne auf gewisse Erfahrungen verzichtet.

Wir sind der Wandel: Zum Beispiel?

Wolff: Unser Shop-System ist suboptimal und wird dieses Jahr ausgetauscht, was mit Kosten, Zeit und Nerven verbunden ist. Weil ich es damals auch nicht besser wusste, habe ich die Entscheidung darüber delegiert. Im Nachhinein würde ich mir die Zeit nehmen, selbst zu recherchieren, was wichtig ist und zu uns passt.

„Ich würde mir mehr Männer als Leser wünschen“

Wir sind der Wandel: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich bezüglich Ihres Magazins wünschen?

Wolff: Die Männer, die unser Magazin lesen, sind ganz begeistert von dem Perspektivwechsel, der ihnen Strive auf wirtschaftliche Themen gibt. Ich würde mir daher mehr Männer als Leser wünschen. Vor allem auch, weil wir ohne Männer die Gleichberechtigung nicht erreichen.

Wir sind der Wandel: Was ist Ihr nächstes Ziel?

Wolff: Es gibt mittlerweile immer mehr Frauen in Führungspositionen. Der Weg nach ganz oben bleibt ihnen aber oft versperrt. Um diesem Ziel näher zu kommen, starten wir nächstes Jahr das Format „Becoming CEO“. Denn um erfolgreiche Entscheidungen treffen, Ziele erreichen und langfristigen Mehrwert schaffen zu können, muss man als Führungskraft die fünf Key Skills Verhandlung, Kommunikation, Finanzen, Strategie und Leadership beherrschen. Das gilt ehrlich gesagt für jede Führungskraft, die eine eigene P+L leitet, also Umsatzverantwortung hat. Daher ist das Programm für jede Frau, die das nächste Level erklimmen will, geeignet. Und damit das Wissen aus der Praxis kommt, coachen echte CEOs die CEOs von morgen. Unsere Coaches haben das Themengebiet, das sie coachen nämlich selbst einst als Führungskraft geleitet oder tun es heute noch.

Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.