Serendipity: Zufälle in Glück verwandeln

Mann macht Luftsprung

Serendipity ist mehr als ein glücklicher Zufall. Es bietet unerwartete Lösungen für Probleme, die man nicht aktiv angeht. Wer offen und neugierig bleibt, erkennt und nutzt diese flüchtigen Momente. So entstehen großartige Innovationen.

Ein Gastbeitrag von Anne M. Schüller

Percy Spencer, Ingenieur bei Raytheon, experimentierte mit einem Radargerät, als ein Schokoriegel in seiner Jackentasche schmolz. Ohne Wärmequelle mussten Mikrowellen die Ursache sein. Er war nicht der Erste, dem das auffiel, aber der Erste, der es für friedliche Zwecke nutzte. Er testete Popcorn – es gelang. Ein rohen Ei explodierte. Egal! Das Prinzip des Mikrowellenherds war entdeckt, und eine Erfolgsgeschichte begann. Das erste Gerät war zwei Meter hoch, wog 340 Kilo und kostete 5.000 US-Dollar. Heute steht eine Mikrowelle in fast jeder Küche.


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Dies ist ein Denkanstoß für Skeptiker, die frühe Innovationen gern abtun. Innovationen kündigen sich nicht an; sie wissen anfangs nicht, was aus ihnen wird. „Kacheln im Handy? Die Leute wollen telefonieren“, meinte Nokia. Am Ende waren 60 Prozent Weltmarktanteil und 50.000 Jobs futsch. Der glückliche Zufall belohnt Neugierige und Tüftler. Cornflakes, Schneekugeln, Herzschrittmacher, Penicillin und die blaue Pille sind Beispiele. Muss man auf den Zufall warten? Oder kann man Serendipity anlocken?

Kreativität braucht Gesellschaft und die „Weisheit der Vielen“

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtErfindungen werden oft exzentrischen Einzelgängern zugeschrieben. Doch meist entstehen sie im Kollektiv. Frühe Erfinder:innen hatten Werkstätten und Labore, tauschen sich aus, trafen sich im Kaffeehaus und profitierten von Vorläuferinnovationen. Serendipity gedeiht durch Vernetzung in stressfreien Umgebungen. Steve Jobs ließ bei Pixar ein zentrales Atrium bauen, um spontane Interaktionen zu fördern. So schuf er den Rahmen für Erfolge. Das Homeoffice und Videomeetings erschweren Serendipity. Kreativität mag Gesellschaft. Ein Ideenfunke braucht jemanden, auf den er überspringen kann. Viele Innovationen beginnen als vage Ahnung und formen sich im Austausch.

Gedankenrohlinge profitieren von gemeinsamem Denken. Im Austausch entwickeln sich Ideen, die allein nicht entstehen würden. Meinungsvielfalt und Offenheit führen zu Co-Kreativität und neuen Möglichkeiten.

So fördert man den glücklichen Zufall:

– Informelle Begegnungsorte schaffen. Neben Arbeits- und Ruheräumen brauchen Firmen gesellige Orte für Zufallsbegegnungen. Modulare Arbeitslandschaften bieten Wohlfühlbereiche für zwanglose Treffen. Wir suchen Mitmenschen auf gleicher Ebene, meiden aber Stockwerke.

– Kolleg:innen crossfunktional vernetzen. Vernetze Kolleg:innen, die selten zusammenarbeiten, quer durchs Unternehmen. Gemeinsame Hobbys, „Blind Lunches“ und „Zufallskaffees“ fördern Innovationen, wenn sich Menschen über die Zukunft des Unternehmens austauschen.

– Plauschpausen ermöglichen. Der beste Output entsteht, wenn wir Ideen im Gespräch teilen. Gedanken werden klüger und präziser, wenn man sie bespricht. Unbeteiligte Dritte, helfen, neue Perspektiven zu entdecken.

– Die „Weisheit der Vielen“ nutzen. Expertise ist wichtig, aber kollektive Intelligenz zählt mehr. Viele wissen mehr als einer. Unterschiedliche Perspektiven führen zu neuen Ideen, egal aus welcher Ecke sie kommen.

– Kollegiale Beratung implementieren. Vor Präsentationen oder Entscheidungen sollten mindestens zwei sachkundige Personen befragt werden. Ideen stehen auf breiter Basis, wenn man Zuspruch und abweichende Meinungen hört.

Einfallsreichtum braucht Ruhe und ein passendes Arbeitsumfeld

Kreativität gedeiht am besten, wenn Menschen sich sehen. Physische Nähe erzeugt mehr emotionale Zugkraft als virtuelle Distanz. Empathie und Vertrauen gelingen besser bei räumlicher Nähe. Hemmschwellen sinken in der Anonymität, Nähe verbessert Verhalten.

Die Denkarbeit des Gehirns verläuft in vier Phasen: Inspirieren, konzentrieren, aktivieren, regenerieren. Unterstützt diesen Rhythmus, denn Gehirne ermüden schnell. Ideenfindung braucht Regeneration, doch viele Arbeitskonstellationen lassen das nicht zu. „Bitte kein Sofa“, hört man von Chefs bei Büroneukonzeptionen. „Meine Leute sollen arbeiten, nicht rumhängen.“ Doch Anwesenheit am Schreibtisch garantiert keine Leistung. Einfallsreichtum braucht ein passendes Umfeld. Rückzugsorte, Spaziergänge, Farben, Düfte und Musik fördern die Schöpferkraft.

Anne M. Schüller

Anne M. Schüller, Bestsellerautorin und Businesscoach, gilt als eine der führenden Expertinnen für “Touchpoint Management” und kundenfokussierte Unternehmenstransformation. In ihrem aktuellen Buch Zukunft meistern. Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter zeigt sie, wie man die hellsten jungen Köpfe zu den engsten Beratern machen kann.

 

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