Sichtbarkeit durch Personal Branding

Christina Richter

Ohne Personal Branding geht es nicht mehr, sagen die einen. Ich will keine Marke werden, sagen die anderen. Christina Richter hilft denen, die ein glasklares Profil wollen. Im Interview erklärt sie, wie das gelingt.

Das Personal Branding zielt darauf ab, eine starke persönliche Präsenz aufzubauen und eine echte Verbindung zu seiner Zielgruppe herzustellen. Bereits in den 1990er Jahren begannen Markenexperten wie Tom Peters, das Konzept des Personal Branding zu verbreiten. Peters prägte den Begriff “The Brand Called You” und argumentierte, dass es in der heutigen Arbeitswelt wichtig sei, sich selbst als Marke zu präsentieren, um sich von anderen abzuheben. Auch gibt es Vorläufer des Personal Branding. Bereits in den 1930er Jahren betonte zum Beispiel Napoleon Hill in seinem Buch “Think and Grow Rich” die Bedeutung der eigenen Persönlichkeit und des persönlichen Rufs für den beruflichen Erfolg.

Ob es ohne das Personal Branding heutzutage nicht mehr geht, muss jede und jeder selbst für sich beantworten. Fakt ist, es hilft dabei, eine starke und eindeutige Präsenz aufzubauen und sich von anderen Personen abzuheben. Es ermöglicht, die persönlichen Stärken, Fähigkeiten und Erfahrungen zu betonen und sich als Expert:in auf einem bestimmten Gebiet zu positionieren. Personal Branding kann dabei helfen, berufliche Ziele zu erreichen, Karrieremöglichkeiten zu maximieren und das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit anderer zu gewinnen. Es kann dazu beitragen, persönliche Werte und eine einheitliche Botschaft zu kommunizieren und dabei helfen, ein positives Image aufzubauen. In einer zunehmend digitalen und vernetzten Welt ist Personal Branding also von entscheidender Bedeutung, um erfolgreich zu sein und seine Ziele zu erreichen.


Frauen haben etwas zu sagen, sie müssen allerdings den Raum erhalten, das auch zu tun! Diesen bieten wir mit unserem Format DIE CHEFIN-TALK.
Hier laden wir Frauen ein, mit uns über ihr Thema zu sprechen.


Wir sind der Wandel: Was war Ihre Motivation für das Buch „Sichtbare Frauen“?

Christina Richter: Der Spiegel veröffentlichte 2021 zum Weltfrauentag eine Auswertung und stellte fest: Männer kommen in Spiegel-Artikeln sehr viel häufiger vor als Frauen. Für die Auswertung wurden in den rund 40.000 Artikeln zwischen März 2020 und Februar 2021 etwa 135.000 namentliche Nennungen gefunden. Davon entfielen 107.000 auf Männer und nur 28.000 auf Frauen.

Das schockierte mich und ich fing an, mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Ich fand weitere Studien, die bezüglich der medialen Sichtbarkeit von Frauen auf ähnliche Ergebnisse kamen. Schockierend fand ich in diesem Zusammenhang aber nicht nur, dass Frauen weniger zu Wort kommen, sondern, dass Männer uns zu vermeintlichen Frauenthemen die Welt erklären. Und weil es nicht daran liegen kann, dass es zu all diesen Themen keine Expertinnen gibt, habe ich Ursachenforschung betrieben.

„Jede Frau, die sich bewusst gegen die Sichtbarkeit entscheidet, nimmt mindestens einer anderen Frau ein Vorbild weg.“

Wir sind der Wandel: Mit welchem Ergebnis?

Richter: Wird ein Mann zu einem Vortrag, Interview oder Ähnlichem angefragt, erhält man in der Regel innerhalb weniger Minuten eine Zusage. Viele Frauen aber haben nicht nur eine Rückmeldedauer von bis zu fünf Tagen. Auch sagen sie dann oft nicht zu. Sie fühlen sich nicht kompetent genug oder wollen sich nicht in den Vordergrund drängen.

Wir können aber nicht bemängeln, dass Männer sichtbarer sind, gleichzeitig aber immer absagen. Frauen sollten deshalb sichtbarer werden und auf relevanten Plattformen mitreden sowie auf Veranstaltungen auftreten. Oder aber es ändert sich nichts und wir überlassen weiter den Männern das Feld.

Wir sind der Wandel: Bremst die fehlende Sichtbarkeit die Karriere von Frauen?

Richter: Das ist mit Sicherheit ein Grund, aber nicht nur. Wir haben Frauen in Führungspositionen. Bleiben diese aber im Hintergrund und sind wenig sichtbar, ziehen weniger Frauen nach. „You can’t be, what you can’t see“ sagt ja, wir brauchen Vorbilder, die zeigen, dass es möglich ist. Die uns durch ihr Auftreten motivieren, ebenfalls an die Spitze zu streben. Ich sage immer, jede Frau, die sich bewusst gegen die Sichtbarkeit entscheidet, nimmt mindestens einer anderen Frau ein Vorbild weg.

Wir sind der Wandel: Und die Sichtbarkeit erreichen Frauen durch das Personal Branding?

Richter: Viele Frauen glauben, dass das Personal Branding eine “Me, myself and I”-Show ist. Das aber ist falsch. Personal Branding ist ein Kommunikationsinstrument, das mir die Möglichkeit bietet, mit anderen Menschen bezüglich meiner Themen, meiner Arbeit, meiner Expertise, meiner Meinung – also alles, was mit meinem Arbeitsalltag zu tun hat – ins Gespräch zu kommen. Personal Branding ist also ein sachliches Kommunikationstool, das jede Frau nutzen kann, um die Themen, die ihr wichtig sind, nach draußen zu tragen.

Es geht beim Personal Branding aber nicht nur darum, auf der Bühne zu stehen oder in den sozialen Netzwerken Content zu veröffentlichen. Es geht vor allem darum, zu netzwerken. Das heißt, durch meine Sichtbarkeit behalten Menschen mich im Kopf und erinnern sich an mich. Bin ich sichtbar, werde ich für Interviews und Vorträge angefragt und bin bei offenen Stellen oder Auftragsvergaben im Gedächtnis von Entscheidern. Frauen müssen also verstehen, dass nicht ihre Arbeit für sie spricht, sondern sie selbst über ihre Arbeit sprechen müssen.


Christina Richter ist Gründerin des Personal Branding Instituts in Berlin. Nach mehr als zehn Jahren in Agenturen und Unternehmen in den Bereichen PR, Unternehmenskommunikation und Social Media berät sie seit 2015 Führungskräfte und Unternehmen rund um Personal Branding. Mit ihrem neuen Buch Sichtbare Frauen zeigt sie, wie jede Frau zu einer eigenen Marke werden kann.


Wir sind der Wandel: Was ist dabei für Frauen herausfordernder, der Aufbau der Sichtbarkeit oder das Finden ihres Themas?

Richter: Viele Frauen, die zu mir kommen, wissen oft nicht, was konkret ihr Thema ist. Das heißt, sie benötigen Unterstützung beim Finden und Ausarbeiten ihres Themas. Ich erarbeite ich in der Regel aber nicht das EINE Thema, sondern Themenwelten, wozu ein fachliches, ein unternehmerisches und ein ehrenamtliches/privates Thema zählt. Denn um regelmäßig etwas sagen zu können, braucht man einen gewissen Spielraum. Wer dann für sich seine Themen definiert hat, hat in der Regel mit der Umsetzung der Sichtbarkeit keine Probleme. Herausfordernder als die Themenfindung ist vielmehr das langfristige Dranbleiben.

„Jede Frau sollte sich Gedanken machen, welchen beruflichen Eindruck sie vermitteln möchte.“

Wir sind der Wandel: Wie und wo starte ich mit dem Personal Branding?

Richter: Grundsätzlich sollte jede Frau (und auch jeder Mann) sich Gedanken machen, welchen beruflichen Eindruck sie vermitteln möchte. Ein erster sinnvoller Schritt ist, sich selbst zu googeln. So nämlich sehe ich, wie Fremde mich sehen. LinkedIn-Profile zum Beispiel sind bei Google in der Regel unter den ersten fünf Treffern. Wer sich also von mir einen beruflichen Eindruck verschaffen möchte, schaut in der Regel hier nach. Daher rate ich jeder Frau, sich ihrem LinkedIn-Profil zu widmen. Dazu gehört, ein Profil- und Titelbild zu haben, die Infobox auszufüllen und das Profil aktuell zu halten. Das hat einen großen Einfluss darauf, wie andere mich wahrnehmen. Ferner ist ein digitaler Hausputz sinnvoll: Habe ich Social Media-Accounts, die ich nicht mehr nutze? Sind dort Fotos, die ich im beruflichen Kontext nicht zeigen möchte? Diese einfache Übung lege ich jeder und jedem ans Herz.

Neben den verschiedenen Social Media-Kanälen, dem Auftreten auf Vortragsbühnen und dem Besuch von Veranstaltungen sind auch Fachvereine und -verbände gute Anlaufstellen, um Kontakte zu knüpfen und Netzwerke aufzubauen.

Wir sind der Wandel: Das klingt, als wenn ich sehr viel Zeit investieren muss.

Richter: Das kommt darauf an, wie sichtbar man werden möchte. Wer zum Beispiel mit LinkedIn anfängt, sollte täglich mindestens zehn bis 15 Minuten investieren, um zu kommentieren und an Diskussionen teilzunehmen. Dazu muss ich „nur“ schauen, wer aus meinem Netzwerk auf LinkedIn aktiv ist und wo ich mich mit Kommentaren einbringen kann. Täglich ein Kommentar sollte es mindestens sein, so dass sie auf fünf Kommentare die Woche kommen. Möchte ich in meinem Fachbereich Meinungsmacherin werden, muss ich nicht nur mitdiskutieren, sondern auch eigene Inhalte schaffen. Dazu gehört mindestens ein Post pro Woche. Je nachdem, ob man hier Support hat oder selbst gut schreiben kann, kann das Erstellen eines solchen Posts zwischen 30 Minuten und zwei Stunden dauern.

„Wer sich in seinem Thema auskennt und polarisierende Posts vermeidet, hat in der Regel gute Diskussionen.“

Wir sind der Wandel: Gibt es Fettnäpfchen, in die ich tappen kann?

Richter: Frauen haben oft Angst vor einem Shitstorm. Um aber in einen Shitstorm zu geraten, muss man erst einmal über eine entsprechende Reichweite verfügen. Wer sich in seinem Thema auskennt und polarisierende Posts vermeidet, hat in der Regel gute Diskussionen. Ferner ist ratsam, bei seinem Thema zu bleiben. Springe ich auf jedes Trendthema auf, erreiche ich zwar sehr schnell Sichtbarkeit. Wer ich bin und wofür ich stehe, weiß dann aber keiner.

Wir sind der Wandel: Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich dennoch in eine für mich unangenehme Diskussion gerate?

Richter: Auf eine sachliche und fachliche Kritik sollte man immer eingehen. Kommt es zu einer unangenehmen Auseinandersetzung, sollte man die öffentliche Diskussion abmoderieren und in die direkte Kommunikation gehen: „Ich möchte das Thema gern konkreter mit Dir besprechen und habe Dir dazu eine PM geschickt.“ So hole ich das Thema elegant aus der Öffentlichkeit.

Wir sind der Wandel: Es gibt aber auch Personen, die mit ihren Kommentaren einfach nur für Stunk sorgen wollen.

Richter: Diese Personen sollte man ignorieren. Denn das, was die wollen, ist eine Bühne und keinen Austausch. Gibt man ihnen diesen Raum nicht, ziehen sie in der Regel schnell weiter. Gehen die Personen hingegen unter die Gürtellinie, sollte man diese Menschen blockieren und der Plattform melden. Wer ein gut funktionierendes Netzwerk hat, bekommt in solchen Situationen meist auch von dort Unterstützung, indem sich Personen in die Diskussion einschalten und einem zur Seite stehen.

Wir sind der Wandel: Gibt es Frauen, die Ihrer Meinung nach das Personal Branding beispielhaft umsetzen?

Richter: Die Familienunternehmerin Dina Reit von der SK Laser GmbH hat es beispielhaft geschafft, sowohl ihre fachlichen Themen (was bezüglich der Thematik Lasertechnik schon wirklich herausfordernd ist) als auch die unternehmerischen Herausforderungen als Familienunternehmen in Deutschland interessant zu gestalten. Sie findet daher mittlerweile auch außerhalb von LinkedIn in relevanten Medien und auf großen Bühnen statt.

Cover für Überall, nur nicht im BüroAber auch die Microsoft-Managerin Annahita Esmailzadeh hat es geschafft, sich mit sehr knackigen Statements, teilweise auch polarisierend, eine gute Sichtbarkeit aufzubauen. Sie war eine der ersten auf LinkedIn, die ihre Aussagen plakativ mit Foto, farbigen Hintergrund und starkem Zitat umgesetzt hat. Das zeigt Wirkung – bildlich wie inhaltlich.

Wir sind der Wandel: Und welche Männer finden Sie vorbildlich?

Richter: Sehr gut agiert Cawa Younosi, der bei SAP Deutschland als Personalchef und Mitglied der Geschäftsführung tätig ist. Er nutzt seine Sichtbarkeit, um Außenstehenden einen tiefen Einblick in die SAP-Welt zu geben. Und auch Timotheus Höttges, CEO von der Telekom, hat seine Sichtbarkeit sehr gut aufgebaut. Er informiert über die Unternehmensstrategie und -entwicklung, liefert aktuelle Trends der Telekommunikationsbranche und gibt persönliche Einblicke. Als Außenstehende bekommt man so einen sehr guten Eindruck, von der Führungskraft und dem Unternehmen. Diese vier zeigen vorbildlich, wie man zu einer eigenen Marke wird.

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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.