Tarifauseinandersetzungen so hart wie nie

Schriftzug Streik auf Hauswand

2023 waren die Tarifauseinandersetzungen in Deutschland so intensiv wie seit 2010 nicht mehr, berichtet das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in einer aktuell veröffentlichten Studie.

Die Auswertung basiert auf der hauseigenen Tarifdatenbank des Instituts und zeigt, dass 2023 als das konfliktreichste Jahr seit mindestens 2010 eingestuft wird. Laut der siebenstufigen Skala des Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erreichte die Konfliktintensität einen Wert von drei Punkten. Dies ist 0,8 Punkte mehr als im langjährigen Durchschnitt und sogar höher als der bisherige Höchstwert von 2015, der bei 2,8 Punkten lag. Die Skala gibt an, bis zu welcher Stufe ein Tarifkonflikt eskaliert, von null Punkten für Verhandlungen am Verhandlungstisch bis zu sieben Punkten für Streiks und Aussperrungen.

Besonders “ruppige Verhandlungen” wurden im Handel verzeichnet, wo die Auseinandersetzungen nie über Warnstreiks hinausgingen, aber die Verhandlungsrunden mehrmals ergebnislos abgebrochen wurden. Das IW erklärt dazu: “Nach wie vor haben Gewerkschaften und Arbeitgeber hier keine Lösung gefunden.” Auch im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen gab es intensive Verhandlungen, die sogar in einer Urabstimmung endeten, bevor sich die Parteien schließlich ohne Arbeitskampf einigten.

Wachsende Spannungen in der deutschen Arbeitswelt

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtEin langwieriger Konflikt besteht weiterhin zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn. Der Studienautor und IW-Tarifexperte Hagen Lesch äußert sich besorgt über die zunehmende Polarisierung der Tarifparteien: “Die GDL setzt im neuen Jahr fort, was wir im Jahr 2023 bereits gesehen haben: Das Gebaren der Tarifparteien verkommt zunehmend zum Klassenkampf. Diese Entwicklung sollte uns Sorgen bereiten. Wir brauchen wieder mehr Partnerschaft und konstruktive Gespräche.”

Die Gesamtintensität der Konflikte in den beobachteten 20 Branchen hat den Angaben zufolge zugenommen. Der Durchschnittswert von 15 Punkten je Konflikt ist so hoch wie nie zuvor. Im Jahr 2022 lag dieser Wert noch bei 5,5 Punkten. Die Studie verdeutlicht die wachsenden Spannungen in der deutschen Arbeitswelt und weist auf die Notwendigkeit von partnerschaftlicheren Ansätzen und konstruktiven Verhandlungen hin.

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Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.