Noch immer gibt es Unternehmen, die keine endgültige eigene Strategie für die künftige Arbeit im Büro, remote oder im Hybridmodus gefunden haben. Wie es besser geht, weiß Andrea Trapp, Vice President of Business International bei Dropbox.
Ein Gastbeitrag von Andrea Trapp
Viele Unternehmen scheinen ihre Arbeitsweise vom Pandemiegeschehen abhängig zu machen. Wie sonst sollte man die starke Büropräsenz bewerten? Dabei gibt es gute “Hacks”, wie Teams von zu Hause oder einem anderen Ort aus konzentriert und ergebnisorientiert arbeiten können.
Zeitversetzte Teamarbeit
Virtuelle Meetings haben während Corona stark zugenommen. Viele spüren die Auswirkungen, die Zoom-Fatigue und Dutzende von Wochenstunden vor der Bildschirmkamera auf unsere mentale und physische Gesundheit haben. Von dieser übertriebenen Kultur endlos aneinandergereihter Videokonferenzen sollten wir uns wieder lösen. Denn synchrone Kommunikation verlangt, dass alle Teammitglieder zu festen Terminen am Bildschirm gebunden sind. Für Treffen innerhalb derselben Zeitzone mag das vielleicht noch okay sein. Schwieriger wird es aber, wenn man in globalen oder überregionalen Strukturen arbeitet.
Die Umstellung auf einen asynchronen Kommunikationsstil trägt dazu bei, unnötige Besprechungen zu vermeiden. Gleichzeitig übernehmen Beschäftigte eine aktive Rolle bei der Kontrolle ihrer Zeit. Dabei verstehe ich unter asynchroner Kommunikation jede Art von Kommunikation, die nicht in Echtzeit erfolgt. Denn asynchrone Kommunikation kann über alle möglichen Kanäle erfolgen: E-Mails und Messenger-Apps, Tools für die Zusammenarbeit an Dokumenten, Plattformen zur Organisation komplexer Abläufe. Auch bietet zeitversetzte Kommunikation Beschäftigten die größtmögliche Flexibilität, hochkonzentriert die bestmöglichen Arbeitsergebnisse erzielen zu können. Und zwar zu ihren eigenen Bedingungen, was den Vorteil hat, dass der Schwerpunkt wieder auf die Arbeit und den Output verlagert wird – und nicht mehr nur auf Sitzungen und Meetings liegt.
Echte Erledigung statt 24/7-Erreichbarkeit
Wie schwer wir uns tun, dem in Amerika so üblichen Motto “Better done than perfect” nachzukommen, zeigt die aktuelle Situation in vielen Unternehmen sowie auf deren Führungsebenen. Für uns alle ist es eine große Herausforderung, uns von dem Druck, den der eigene Anspruch des Perfektionismus uns auferlegt, zu verabschieden. Denn nicht jede Idee oder jede Arbeit kann oder muss perfekt sein. Wer immer perfekte Ergebnisse liefern möchte, läuft – ohne das selbst zu bemerken – große Gefahr, in einen Burnout hineinzugeraten, Kritik persönlich oder übel zu nehmen.
Andrea Trapp, Vice President of Business International bei Dropbox, leitet ihre internationalen Teams von München aus. Bevor die diplomierte Wirtschaftswissenschaftlerin und Expertin für Change Management zu Dropbox kam, war sie 22 Jahre lang in europaweiten Führungs- oder Vorstandspositionen internationaler Tech- und PropTech-Unternehmen tätig.
Home-Office und verteiltes Arbeiten haben unsere perfektionistischen Züge noch verstärkt, weil getrennt vom Team noch viel mehr Zeit war, in der eigenen Blase jeden Pixel, jedes Bild, jede Silbe und jeden Ton zu analysieren und zu interpretieren. Dabei sind gerade eine gewisse Distanz zwischen dem Arbeits- und Privatleben sowie regelmäßige Perspektivwechsel elementar. In dieser Loslösung aber liegt eine hohe Kunst. Denn sich zu lösen ist nicht gleichbedeutend mit Gleichgültigkeit oder Faulheit. Vielmehr stellt es einen Mittelweg zwischen den beiden Extremen “zu viel” und “gar nicht” dar. Pausen und kleine Auszeiten lassen uns einen Schritt zurücktreten und mit frischen und kreativen Sichtweisen an den Arbeitsplatz zurückkehren.
Damit aus dem Arbeiten von jedem erdenklichen Ort kein Leben am Arbeitsplatz wird, sollten Unternehmen und Beschäftigte sich unbedingt auch über die Nichterreichbarkeit verständigen. Verstärkt zeitversetzt zu arbeiten, erfordert Regeln und Übung. Bei Dropbox beispielsweise haben wir Core Collaboration Hours eingeführt. Das sind 4-Stunden-Zeitfenster für Besprechungen, die über Zeitzonen hinweg abgestimmt sind. So stellen wir nicht nur eine sinnvolle Live-Zusammenarbeit sicher. Wir unterstützen so auch unsere Beschäftigten bei der Arbeit aus dem Home-Office. Denn das ist auch ein Schutz vor der Belastung einer Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit.
Ein Gleichgewicht zwischen Erledigung und perfektionistischem Anspruch an sich selbst, zwischen einem Übermaß an Arbeit und Loslassen zu finden, gelingt durch bewusste Übung und Achtsamkeit. So lässt sich der bereits von Aristoteles gepriesene goldene Mittelweg (leichter) finden.
Revolutionieren von Routinen
Wenn Mitarbeitende selbst für ihr Zeitmanagement, ihre Entscheidungsfindung und ihre Multitasking-Fähigkeiten verantwortlich sind, ist es wichtig zu wissen, wie sie ihre Konzentration erlangen und aufrechterhalten können. Die besten Anpassungen, um sich besser konzentrieren zu können, haben mit intelligentem Arbeiten, einer Neuausrichtung der Arbeitszeiten sowie der Prioritätensetzung zu tun:
- Energielevel nutzen: Jede und jeder von uns arbeitet zu einer anderen Zeit hocheffektiv, einige als “frühe Vögel”, andere als “Nachteulen”. Asynchrones, verteiltes Arbeiten ermöglicht es jedem, die Aufgaben genau dann zu erledigen, wenn die Konzentration am höchsten ist. Denn gute Zeitpläne sind individuell und im besten Fall so terminiert, dass die eigenen energievollen Zeiten maximal ausgeschöpft werden können.
- Aufgabenlisten straffen: Durch die volle Konzentration auf das jeweilige (Teil)Ziel können die kleinen zeitraubenden Ablenkungen des Alltags ausgeblendet werden. Die Einzelschritte und deren Ausarbeitung richtet sich automatisch eng am Kernprojekt aus, Ergebnisse kommen zielgerichteter und schneller zusammen.
- Delegieren mit Vertrauen: Setzen Vorgesetzte volles Vertrauen auf die Kompetenz und das Verantwortungsbewusstsein ihrer Teammitglieder, haben diese die Chance, ihre Aufgaben im eigenen Rhythmus optimal zu erfüllen. Das ist viel besser, als alles immer selbst erledigen zu wollen oder skeptisch zu reagieren, wenn Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeitende eine andere Arbeitsroutine oder -zeit haben. Dabei ist immer das Gesamtergebnis wichtig und nicht die Einzelschritte der Entstehung. Ein vertrauensvolles Abgeben von Aufgaben lässt dem Individuum mehr Möglichkeiten, das eigene volle Potenzial bei der Erarbeitung auszuschöpfen.
Intelligentes Arbeiten, eine individuelle Neuausrichtung der Arbeitszeiten und neue Prioritätensetzung verhelfen zu besserer Konzentration und diese zu besseren Arbeitsergebnissen.
Offenheit für asynchrone Arbeitsformen leben
Die neue Arbeitswelt hat viele Gesichter. In einer Ära des flexiblen Arbeitens sollten Mitarbeitende ermutigt werden, offen darüber zu sprechen, wo, wann und wie sie am besten arbeiten. Das ermöglicht es Vorgesetzten, zufriedenere und effizientere Arbeitsteams zu führen. Die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten wird sich auch in Zukunft für asynchrone Arbeitsformen entscheiden. Wenn Sie wissen, welche Hebel Sie betätigen müssen, um Strategien dafür zu optimieren, wird sich dies auf die Leistung Ihres ganzen Unternehmens auswirken. Und auch wenn es dafür kein Patentrezept gibt, seien Sie offen für eigene und die Lernkurven anderer, um den stetigen Anpassungen und Neuausrichtungen dieser flexiblen neuen Arbeitswelt aktiv zu begegnen!