Bundesarbeitsgericht setzt Kirche Grenzen

Kreuz auf Krichendach

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber sich an die gesetzlichen Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall halten müssen. Das Urteil kann weitreichende Auswirkungen auf rund eine Million Beschäftigte bei Caritas, Diakonie und den Kirchen haben.

Der zugrunde liegende Fall dreht sich um einen Anästhesiepfleger in einem Caritas-Krankenhaus in Westfalen. Die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Caritas, die für etwa eine Million Beschäftigte gelten, sehen vor, dass bei krankheitsbedingtem Ausfall von Bereitschaftsdiensten nur 90 Prozent des Entgelts vergütet werden, anstatt eine volle Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien, die auf dem sogenannten dritten Weg in paritätisch besetzten arbeitsrechtlichen Kommissionen beschlossen werden, nicht von der gesetzlichen Öffnungsklausel erfasst werden. Die Richterinnen und Richter stellten klar, dass die AVR keine Tarifverträge seien und der Gesetzgeber die Öffnungsklausel bewusst auf Tarifverträge beschränkt habe.

Die Entscheidung des BAG kann auch für andere Arbeitsrechtsfragen von Bedeutung sein

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtDer Kläger argumentierte, dass die Regelung der AVR gegen das Entgeltfortzahlungsgesetz verstoße und nicht anwendbar sei. Das BAG bestätigte diese Ansicht und verwies den Fall an das Landesarbeitsgericht Hamm. Dort soll nun geklärt werden, in welchem Umfang dem Anästhesiepfleger Lohn oder Freizeitausgleich zusteht.

Die Entscheidung des BAG könnte auch für andere Arbeitsrechtsfragen von Bedeutung sein, die unter die AVR fallen. Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertreter sehen in dem Urteil eine Bestätigung ihrer Kritik an den kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien und fordern eine Neubewertung der Regelungen im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitgebervertreter hingegen betonen die Bedeutung des dritten Weges und der paritätisch besetzten Kommissionen für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen in kirchlichen Einrichtungen. Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen diese wegweisende Entscheidung für die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien insgesamt haben wird.


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Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.