Deutsches Arbeitsrecht trifft auf Open Space Office

Open Space Office im Unternehmen

Immer mehr Arbeitgeber verändern innerhalb ihres Unternehmens den Arbeitsort. Aus individuellen Arbeitsplätzen wird ein Open Space Office. Dabei sollten gesetzliche Vorgaben berücksichtigt werden. Ansonsten drohen Bußgelder.

Im Grunde ist ein Open Space Office ein Großraumbüro: Die Fläche ist in verschiedene Zonen (für das Arbeiten, den Austausch, für Meetings, für ungestörte Telefonate usw.) eingeteilt. Zum Arbeiten stehen auf dieser offenen Bürofläche Schreibtische zur Verfügung, zum Austausch gibt es Besprechungsecken, Meetings finden in kleinen Räumen statt, für ungestörte Telefonate stehen Kabinen zur Verfügung usw.Im Fokus: Überall, nur nicht im BüroDabei kann sich der einzelne Arbeitsplatz innerhalb einer fest definierten Fläche befinden, wobei innerhalb dieses Bereiches keine feste Arbeitsplatzzuordnung existiert. So zum Beispiel macht es der Handelskonzern OTTO. Oder das Unternehmen praktiziert das Desksharing. Beschäftige suchen sich täglich innerhalb des Betriebs einen neuen Arbeitsplatz – wie es beispielsweise der Versicherungskonzern Axa macht. Das heißt, Mitarbeitende haben keinen fest zugeordneten Schreibtisch, sondern suchen sich täglich einen verfügbaren Platz. Damit hier kein Kampf um die besten Plätze entbrennt, sollten Unternehmen mittels Buchungstool o.ä. die Schreibtischreservierung ermöglichen. Das ist vor allem wichtig, wenn es insgesamt weniger Schreitische als Beschäftigte gibt.

Desksharing und Clean Desk Policy

ObwIrrtümer und Mythen rund ums Arbeitsrechtohl beim Desksharing der persönliche Arbeitsplatz wegfällt und Beschäftigten dementsprechend kein eigenes Mobiliar zur Verfügung steht, müssen Desksharing-Arbeitsplätze trotzdem die gleichen Bestimmungen erfüllen wie fest zugeordnete Bildschirmarbeitsplätze. Wer dabei überwiegend eine sitzende Tätigkeit hat, ist auf Büromöbel, die die ergonomischen Anforderungen erfüllen, angewiesen. Das heißt, je nach Körpergröße werden Büromöbel wie Schreibtischstuhl und Schreibtisch individuell in Sitzhöhe und -tiefe eingestellt. Während das an fest zugewiesenen Arbeitsplätzen in der Regel einmal richtig eingestellt wird, müssen beim Desksharing, wo Beschäftigte jeden Tag an einem anderen Platz sitzen, die Büromöbel täglich für jeden Nutzer neu eingestellt werden. Um mögliche Fehleinstellungen zu vermeiden, müssen Beschäftigte fähig sein, die Büromöbel selbst einstellen zu können. Die dafür notwendige Schulung ist deshalb unerlässlich.


Ergonomische Anforderungen bei der Bildschirmarbeit:

  • Die Bewegungsfläche am Arbeitsplatz muss mindestens einen Meter breit und tief sein.
  • Der Schreibtisch muss mindestens über eine Arbeitsfläche von 160 cm × 80 Zentimeter verfügen.
  • Die Schreibtischhöhe sollte mindestens 74 (± 2) Zentimeter betragen und vollständig höhenverstellbar sein.
  • Der Schreibtischstuhl muss über eine neigbare und höhenverstellbare Rückenlehne verfügen.
  • Der Bildschirm sollte so platziert sein, dass sich die Oberkante auf Höhe der Augen befindet. Ferner sollte ein ausreichender Abstand (von 45 bis 80 Zentimeter) zwischen Augen und Bildschirm eingehalten werden.
  • Schreibtisch und -stuhl sollten an die Körpergröße des Beschäftigten angepasst sein, um eine ungesunde Körperhaltung zu vermeiden.
  • Die Beleuchtung muss ausreichend (Beleuchtungsstärke von 500 Lux bis 750 Lux), die Arbeit an Sonnentagen blendfrei möglich sein. Wenn notwendig, muss ein Sonnenschutz vorhanden sein. Bildschirm und Schreibtisch sollten grundsätzlich seitlich zum Fenster platziert werden, um Spiegelungen und Blendungen zu vermeiden.
  • Der Lärmpegel sollte zwischen 55 dB(A) – 70 dB(A) liegen.

Ohne eine Clean Desk Policy sollten Unternehmen das Desksharing nicht einführen. Die nämlich führt zu geregelten Abläufen, da Beschäftigte nach Arbeitsende den Schreibtisch leer hinterlassen müssen. Das heißt, zum Feierabend müssen alle Unterlagen und persönlichen Dinge in fahr- und abschließbaren Rollcontainern, abschließbaren Schränken oder einem Schließfach verwahrt werden. Dabei kommen die aufgeräumten Schreibtische auch dem Datenschutz zugute. Denn mit der Clean Desk Policy gehören sich auf dem Schreibtisch stapelnde sensible Dokumente der Vergangenheit an.

Dafür müssen Arbeitgeber eine Infrastruktur schaffen, die es den Beschäftigten erleichtert, den Datenschutz einzuhalten. Das heißt, Aktenvernichter, abschließbare Rollcontainer und Schränke sowie Schließfächer sollten ausreichend zur Verfügung stehen.


Unternehmen sind gut beraten, wenn ihre Clean Desk Policy folgende Punkte enthält:

  • Sensible Dokumente nur im Bedarfsfall aus dem abschließbaren Rollcontainern, dem abschließbaren Schrank oder Schließfach mit zum Schreibtisch nehmen. Ferner sollten sie nach dem Gebrauch sofort wieder verschlossen aufbewahrt werden.
  • Kopien von sensiblen Dokumenten sollten nur gemacht werden, wenn diese auch notwendig sind.
  • Elektronische Dokumente sind analogen Dokumenten vorzuziehen.
  • Nicht mehr benötigte Papiere und Kopien müssen per Aktenvernichter entsorgt werden.
  • Beim Verlassen des Arbeitsplatzes (z. B. Toilettengang, Mittagspause, Besprechung usw.) müssen sensible Dokumente grundsätzlich sicher verwahrt werden.
  • Der Schreibtisch muss am Ende des Arbeitstages vollständig abgeräumt, die individuellen Arbeitsutensilien müssen sicher verwahrt werden.
  • Die Clean Desk Policy sollte auch Whiteboards, Flipcharts usw. berücksichtigen. Das heißt, was nicht mehr gebraucht wird, sollte auch abgewischt, verwahrt oder entsorgt werden.

Ausreichend Bürofläche für jeden Beschäftigten

Möchte ein Arbeitgeber seine Bürofläche in ein Open Space Office verwandeln, muss er auch für ausreichend Bürofläche für jeden Beschäftigten sorgen. Die Technische Regel für Arbeitsstätten (ASR) konkretisiert dabei die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Wie groß die Bürofläche pro Mitarbeitenden laut ArbStättV mindestens sein muss, steht dabei in der „ASR A1.2 Raumabmessungen und Bewegungsflächen“.

Unter Großraumbüro versteht die ASR eine organisatorische und räumliche Zusammenfassung von Büro- und Bildschirmarbeitsplatz auf einer Fläche von mindestens 400 Quadratmetern (Ziffer 3.10). Die Grundflächen von Arbeitsräumen werden dabei unter Punkt 5 ff. geregelt. Konkret heißt das, dass Bewegungsflächen mindestens über 1,50 Meter Tiefe und Breite am oder neben dem Arbeitsplatz verfügen müssen. Bei einer stehenden oder sitzenden Tätigkeit reduziert sich die Richtlinie auf einen Meter Tiefe und Breite.

Dabei ist wichtig, dass sich die Bewegungsflächen nicht mit den Bewegungsflächen anderer Arbeitsplätze, mit den Flächen für Verkehrswege (einschließlich der Fluchtwege und den Gängen zu anderen Arbeitsplätzen sowie Gängen zu gelegentlich genutzten Betriebseinrichtungen), mit den Stell- und Funktionsflächen für Arbeitsmittel, Einrichtungen und Einbauten und mit den Flächen für Sicherheitsabstände überlagern.

Ignorieren Arbeitgeber gesetzliche Vorgaben, drohen Bußgelder

Die Mindestgrundfläche für einen Büro- und Bildschirmarbeitsplatz (einschließlich der Möbel und anteiliger Verkehrsfläche) sollte laut ASR in einem Großraumbüro 12 bis 15 Quadratmeter je Arbeitsplatz betragen. Und auch bei der Höhe von Arbeitsräumen macht die ASR Vorgaben. So sollte ein Großraumbüro mindestens eine Höhe von drei Metern vorweisen können. Bei einem Großraumbüro von mehr als 2.000 Quadratmetern solle die Höhe mindestens 3,25 Meter betragen.

Halten Arbeitgeber sich nicht an diese Vorgaben, kann ihnen ein Bußgeld oder im schlimmsten Fall der Entzug der Gewerbeerlaubnis drohen. Zuständig für das Überprüfen der Auflagen sind die staatlichen Arbeitsschutzbehörden. Je nach Bundesland sind das die Gewerbeaufsichtsämter oder die Ämter für Arbeitsschutz. Und existiert im Betrieb ein Betriebsrat, ist dieser dazu verpflichtet, das Einhalten solcher Vorgaben zu gewährleisten. Denn im Falle eines Verstoßes muss er diesen der staatlichen Arbeitsschutzbehörde melden.

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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.