Kinderbetreuung: Kein Recht auf Familienfreundlichkeit

Eltern mit Kind an der Hand

Im Streit um ihre Arbeitszeit verliert eine alleinerziehende Mitarbeiterin vor Gericht gegen ihren Arbeitgeber. Ihre Forderung nach familienfreundlichen Arbeitszeiten muss ihr Arbeitgeber nicht erfüllen.

Eine in einer Bäckerei beschäftigte Verkäuferin muss nach ihrem Arbeitsvertrag wöchentlich 40 Stunden arbeiten. Und weil der Betrieb ein 3-Schicht-Modell hat, muss sie einerseits im Schichtdienst tätig sein, andererseits ist sie verpflichtet, Sonn- und Feiertage zu arbeiten sowie Mehrarbeit zu leisten. Zur Auseinandersetzung mit ihrem Arbeitgeber kommt es, als die Verkäuferin nach ihrer Elternzeit ihre Arbeitszeiten verändern möchte bzw. muss. Denn sie ist zu dem Zeitpunkt alleinerziehend und möchte nicht nur ihre Arbeitszeit auf 35 Stunden wöchentlich reduzieren, sondern auch nur noch von Montag bis Freitag in der Zeit von 7.40 Uhr bis 16.40 Uhr arbeiten. Der Grund: Die Kindertagesstätte hat nur zu diesen Zeiten geöffnet. Und als alleinerziehende Mutter von Zwillingen ist sie auf diese Betreuungsmöglichkeit angewiesen.

Arbeitgeber müssen die Interessen aller Beschäftigten berücksichtigen

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtIhr Arbeitgeber ist mit der Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf 35 Stunden wöchentlich einverstanden. Ihrem Wunsch, sie von den Arbeitsschichten und der Arbeit an Samstagen, Sonn- und Feiertagen zu befreien, kommt er allerdings nicht nach. Denn auch andere Mitarbeiterinnen hätten Kinder zu betreuen. Bei ihr eine Ausnahme zu machen, sei daher nicht möglich.

Unterstützungssuchend wendet sich die Verkäuferin daraufhin an das Arbeitsgericht Schwerin (Az.: 6 Ca 73/22), das ihre Klage allerdings abweist. Sie geht in Berufung und auch das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Az.: 5 Sa 139/22) weist ihre Klage ab. Die Begründung der Richterinnen und Richter: Ein Arbeitgeber muss die Interessen aller Beschäftigten berücksichtigen – und das gilt auch für die Arbeit im Schichtdienst und an Samstagen, Sonn- und Feiertagen. Und auch wenn Arbeitgeber bei der Verteilung von Arbeitsschichten generell auf Kinderbetreuungspflichten von Beschäftigten Rücksicht nehmen müssen, ist diese Verpflichtung nur von ihnen einzuhalten, wenn dem keine betrieblichen Gründe entgegenstehen (§ 8 Abs. 4 TzBfG).

Eltern müssen die Kinderbetreuung regeln

Und das ist hier nicht der Fall: Zum einen geben die Öffnungszeiten der Bäckerei, das Kundenaufkommen und das Schichtsystem die Arbeitszeiten vor – und der Arbeitszeitwunsch der Verkäuferin ist damit nicht kompatibel. Zum anderen müsste die restliche Belegschaft zusätzliche Arbeitsschichten übernehmen – was für sie eine zusätzliche Belastung darstellen würde. Vor allem für die Beschäftigten, die ebenfalls Mütter sind und dementsprechend Kinderbetreuungspflichten zu erfüllen haben. Der Umstand, dass die Verkäuferin im Gegensatz zu ihren Kolleginnen alleinerziehend ist, begünstigt sie bei den Arbeitszeiten nicht.

Im Klartext: Die Lösung kann nicht sein, dass der Arbeitgeber andere Beschäftigte – und vor allem Mütter, die ihre Kinderbetreuung geregelt haben – mit zusätzlichen Schichten belastet. Vielmehr muss die Verkäuferin die Kinderbetreuung während der Arbeitszeit durch den Vater der Kinder bzw. durch Dritte regeln.

Auch gegen dieses Urteil hat die Verkäuferin Berufung eingelegt. Der Fall liegt daher jetzt beim Bundesarbeitsgericht (Az.: 5 AZN 629/23).


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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.