Ist die Siebentagewoche die Lösung?

Eine in der Nacht beleuchtete Bürofassade

Die einen wollen, dass wir wieder mehr arbeiten. Andere plädieren für die Vier-Tage-Woche. Und nun gibt es noch ganz neue Vorschläge: die Siebentagewoche.

Deutschland diskutiert über die Arbeitszeit. Nicht nur, dass Arbeitgeber und Beschäftigte die Arbeitszeit bald erfassen und dokumentieren sollen, der Arbeitskräftemangel heizt die Diskussion zusätzlich an. Schon heute fehlen in vielen Branchen viele Fachkräfte. Im Gesundheitsdienst, in der Pflege, in der Erziehung und an Schulen ist der Mangel bereits flächendeckend, sodass bisweilen die Grundversorgen gefährdet ist. Kein Wunder also, dass vor allem Vertretende der Arbeitgeberseite wollen, dass die Menschen mehr und nicht weniger arbeiten.

Cover für Überall, nur nicht im BüroAls neuer Vorschlag liegen Anreize für Überstunden auf dem Tisch, was durchaus sinnvoll ist. Denn aus vielen Branchen, in denen Überstunden bereits zusätzlich vergütet werden, ist längst bekannt: Finanzielle Anreize motivieren und mobilisieren ein Arbeitskrätereservoir. So sprechen sich einige für die Vier-Tage-Woche und eine Absenkung der Wochenarbeitszeit aus. Denn die Arbeit wird immer dichter, zeitgleich steigt die Altersregelgrenze. Wer keine Rentenkürzung in Kauf nehmen möchte, passt sich an und hält durch. Allerdings, auch das ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, verkürzt Dauerarbeiten und vor allem langes Arbeiten bis ins höhere Alter hinein bei vielen Menschen nachweislich die Lebenserwartung.

“Eine Woche mit ausschließlich Werktagen hätte auch gesellschaftliche Vorteile”

Wie bringt man nun beides zusammen? Die geschäftsführende Gesellschafterin des Klebstoffspezialisten Delo und Mitglied im Präsidium des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Sabine Herold, schlägt in ihrer Kolumne in der Wirtschaftswoche vor, das feste Wochenende ganz abzuschaffen. Ein Gedankenexperiment, das sie wohl ohne die Kirchen gemacht hat, das aber durchaus Vorzüge haben könnte. Statt einer Viertagewoche für alle “könnte die Lösung darin liegen, in der Gesamtheit das feste Wochenende abzuschaffen, also flexibel an vier von sieben Tagen pro Woche zu arbeiten. Für Unternehmen würden die betriebswirtschaftlichen Nachteile der Viertagewoche durch eine bessere Ausnutzung von Produktionsanlagen, Laboren, Werkstätten und Büros entschärft”, schreibt Herold. Man hätte damit zwei Fliegen mit einer Klappe gefangen: Den Beschäftigten, vor allen den Jüngeren, die ohnehin nicht mehr gerne Vollzeit arbeiten wollen, könnten Arbeitgeber attraktivere Arbeitszeitmodelle vorschlagen. Zugleich wäre quasi Durchproduktion möglich, was sich positiv auf die Produktivität auswirken könnte.

Und Herold sieht noch andere Vorteile: “Eine Woche mit ausschließlich Werktagen hätte nebenbei auch gesellschaftliche Vorteile: Die höhere Auslastung durch Tage ohne Stillstand führt zu geringerem Flächenbedarf von Unternehmen, einer gleichmäßigeren Nutzung der Verkehrsinfrastruktur und weniger Gedrängel um Freizeitangebote am Wochenende.”

Ein Tag ohne Hektik und Stress ist wichtig

Wir sind der Wandel-NewsletterAber ginge das denn? Spätestens Menschen mit Kindern wird auffallen: So gut der Vorschlag in der Theorie klingt, so stressig wäre er für Familen mit schulpflichtigen Kindern. Denn Kinder können nicht sieben Tage am Stück in der Schule lernen, sie brauchen Erholungspausen. Und wenn Kind 1 von Montag bis Donnerstag Schule hat, Kind 2 aber von Donnerstag bis Sonntag, hätte eine Familie keine gemeinsame Freizeit mehr. Ein Albtraum. Und was würde sozial gesehen aus dem ruhigen Sonntag werden, der vielen Menschen auch einen spirituellen Wert bedeutet und zudem für die Gesundheit und Umwelt wichtig ist. Ein Tag, an dem Hektik und Stress deutlich reduziert sind, ist wichtig.

Herold wendet zwar ein, dass gut jede und jeder vierte Beschäftigte schon heute am Wochenende arbeite. Sie vergisst dabei aber, dass die Angehörigen und Kinder dieser Beschäftigten das in der Regel nicht tun. Vielleicht liegt die Lösung in einem anderen Kompromiss: die Wiederbelebung der Sechs-Tage-Woche bei Beibehaltung des heiligen Sonntags.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.