Gender Pay Gap: Überraschende Wende, aber ein Rätsel bleibt

Ein Schild weist auf Männer und Frauen hin

Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen schrumpfte 2024 so stark wie seit Beginn der Berechnungen im Jahr 2006 nicht mehr. Doch ein entscheidendes Problem bleibt bestehen.

Frauen verdienten 2024 pro Stunde im Schnitt 16 Prozent weniger als Männer, teilt das Statistische Bundesamt mit. Damit sinkt der sogenannte Gender Pay Gap um zwei Prozentpunkte. Doch bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit bleibt die Lücke unverändert.

Der Rückgang des Gender Pay Gaps liegt laut Statistiker:innen vor allem an den gestiegenen Bruttomonatsgehältern von Frauen: Sie erhöhten sich 2024 um rund acht Prozent – von durchschnittlich 2.633 Euro auf 2.851 Euro. Männer verdienten im Schnitt fünf Prozent mehr, ihr Gehalt stieg von 3.873 Euro auf 4.078 Euro.

Der bereinigte Gender Pay Gap bleibt unverändert

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtEin Teil des Verdienstunterschieds lässt sich durch strukturelle Faktoren erklären, die den unbereinigten Gender Pay Gap ausmachen. Dazu zählen die höhere Teilzeitquote von Frauen sowie die Berufe, Branchen und das Anforderungsniveau, in denen Frauen häufiger arbeiten.

Besonders bei Beruf und Branche gab es 2024 spürbare Veränderungen. Frauen arbeiteten zwar weiterhin häufiger in schlechter bezahlten Bereichen, doch dieser Faktor machte 2023 noch 24 Prozent des unbereinigten Gender Pay Gaps aus, 2024 nur noch 21 Prozent. “Das könnte darauf hindeuten, dass Frauen inzwischen verstärkt in besser bezahlten Berufen und Branchen arbeiten”, erklärten die Statistiker:innen.


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Die hohe Teilzeitquote von Frauen, die meist mit niedrigeren Bruttostundenlöhnen einhergeht, erklärt laut Statistischem Bundesamt 19 Prozent des Lohnunterschieds. Zwölf Prozent der Lücke entstehen, weil Frauen häufiger in Berufen mit geringerem Anforderungsniveau arbeiten. Die restlichen 37 Prozent des Verdienstunterschieds bleiben unerklärt. Selbst bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie verdienten Frauen 2024 pro Stunde sechs Prozent weniger als Männer. Dieser bereinigte Gender Pay Gap blieb im Jahresvergleich unverändert.

“Nach Jahren ohne Bewegung ist der Handlungsbedarf nach wie vor groß”

Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, sieht die Unternehmen in der Verantwortung: “Wer immer wieder den Appell an Frauen richtet, mehr Erwerbsarbeit zu leisten, sollte sie dann auch fair bezahlen.” Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, fordert verpflichtende Entgelttransparenz in Unternehmen. “Nach Jahren ohne Bewegung ist der Handlungsbedarf nach wie vor groß”, erklärt Hannack. Sie fordert bessere Betreuungsangebote für Kinder und Pflegebedürftige sowie eine gerechtere Verteilung der Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern.

Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) spricht von einer “erfreulichen” Entwicklung. “Trotzdem können wir erst zufrieden sein, wenn Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen erreicht ist.” Sie nennt die partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit, bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und mehr Transparenz in Unternehmen als Ansatzpunkte für weitere Fortschritte.

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Tina Groll

Tina Groll, SPIEGEL-Bestsellerautorin und Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft, konzentriert sich als Autorin von WIR SIND DER WANDEL auf Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren” aus. Ferner ist sie Mitglied im Deutschen Presserat.