In den Sommerferien herrscht in vielen Unternehmen eine spürbare Ruhe im Vergleich zum restlichen Jahr. Wer in dieser Zeit weniger arbeitet, sammelt Minusstunden. Doch wer übernimmt die Verantwortung dafür?
Minusstunden, auch Soll-, Minder- oder Unterstunden genannt, entstehen, wenn ein Mitarbeitender weniger arbeitet als vertraglich vereinbart. In der Theorie ist das klar. In der Praxis zählen Minusstunden jedoch nur, wenn der Beschäftigte selbst für die geringere Arbeitsleistung verantwortlich ist, etwa durch längere Mittagspausen oder private Termine während der Arbeitszeit. Viele Unternehmen setzen zudem auf Vertrauensarbeitszeit, soweit gesetzlich zulässig, anstatt die Stunden über ein Zeitkonto zu erfassen, so Expert:innen der Deutschen Vermögensberatung.
Mitarbeitende organisieren in der Regel ihre Stunden selbst und können auch ins Minus rutschen. Manchmal gerät das Zeitkonto jedoch ohne eigenes Verschulden ins Minus. Der Arbeitgeber darf Minusstunden nicht im Krankheitsfall, während des Urlaubs oder an gesetzlichen Feiertagen anrechnen. Bei Fortbildungen ist die Lage weniger eindeutig: Ordnet der Arbeitgeber eine Weiterbildung an, trägt er die Verantwortung für eventuell unerledigte Arbeit. Das gilt auch für Bildungsurlaub. Wer sich hingegen eigenständig weiterbildet, muss die “verlorenen” Stunden nacharbeiten.
Wenn Minusstunden vorhersehbar sind
Im Sommer, wenn viele Mitarbeitende fehlen oder Kundenbeziehungen ruhen, schicken Arbeitgeber ihre Beschäftigten manchmal früher nach Hause. Wer direkt ins Freibad möchte, freut sich. Wiederholte frühe Feierabende werden jedoch schnell die Frage auf, wie sich das auf das Stundenkonto und den Gehaltszettel auswirkt.
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Im klassischen Sommerloch entstehen diese Minusstunden in der Regel durch den Arbeitgeber. Der Mitarbeitende bietet weiterhin seine Arbeitskraft an und erfüllt somit seine vertraglichen Pflichten. Laut § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) muss der Arbeitgeber angeordnete Minusstunden voll bezahlen. Diese dürfen nicht zulasten des Mitarbeitenden gehen und nicht auf dem Arbeitszeitkonto vermerkt werden. Eine andere Situation ergibt sich, wenn der Arbeitsvertrag Schwankungen vorsieht, etwa bei einem Job, der an Haupt- und Nebensaison gekoppelt ist. In der Nebensaison können dann planmäßig Minusstunden anfallen, die sich in der Hauptsaison wieder ausgleichen.
Wann werden Minusstunden problematisch?
Da es keine allgemeingültige gesetzliche Regelung zu Minusstunden gibt, ist entscheidend, was im jeweiligen Arbeits- oder Tarifvertrag steht. Fehlen dort entsprechende Vorgaben, sind Minusstunden streng genommen nicht möglich. Wer weniger arbeitet als vereinbart, verstößt gegen vertragliche Pflichten und riskiert eine Abmahnung oder Gehaltskürzung. Arbeitgeber können ihren Mitarbeitenden jedoch auch Minusstunden einräumen, etwa bei familiären Betreuungsengpässen. Diese Zeiten müssen dann jedoch nachgearbeitet werden. Zudem dürfen Minusstunden nicht rückwirkend mit Urlaubstagen verrechnet werden – weder auf Drängen des Unternehmens noch des Beschäftigten.
Bei einer Kündigung tauchen Minusstunden häufig auf, etwa als Mittel zur Kürzung des letzten Gehalts. Das ist jedoch nur rechtens, wenn im Vertrag konkrete Vereinbarungen enthält und der Mitarbeitende dagegen verstößt. Wer seine Aufgaben an einen Nachfolger übergibt und deshalb weniger arbeitet, kann nicht belangt werden. Ein Lohnabzug ist nur zulässig, wenn der Mitarbeitende die Minusstunden selbst verursacht hat.
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