Eine aktuelle Studie enthüllt: Attraktivität beeinflusst Investitionsentscheidungen in der Startup-Welt maßgeblich, besonders für Gründerinnen. Wie wirkt sich der Halo-Effekt auf die Kapitalbeschaffung aus?
Die Welt der Startup-Investoren bleibt männlich dominiert. Forschung zeigt, dass dies Startup-Unternehmerinnen bei der Kapitalbeschaffung benachteiligt. Eine Studie des HSG Health Span Lab in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen der Universitäten Zürich und Notre Dame belegt, dass auch die Attraktivität von Gründerinnen eine Rolle spielt.
Unternehmerinnen haben es schwerer, Risikokapital zu beschaffen als ihre männlichen Konkurrenten. Studien belegen, dass sie auf bewusste oder unbewusste Vorurteile zumeist männlicher Investoren stoßen. Zudem sind weniger als 20 Prozent der Frühphaseninvestoren Frauen. Diese Ungleichverteilung führt dazu, dass männlich geführte Start-ups fast 50-mal mehr Risikokapital erhalten als weiblich geführte. Eine Studie des Global Center for Entrepreneurship and Innovation (GCEI-HSG) der Universität St. Gallen zeigt, dass auch die Attraktivität der Gründerin die männlichen Investitionsentscheidungen beeinflussen.
Der Halo-Effekt wirkt nicht immer
„Aus der Psychologie ist uns der Halo-Effekt bekannt. Dieser besagt, dass wir attraktiven Personen unbewusst mit dem Vorurteil begegnen, dass sie weitere positive Eigenschaften, wie beispielsweise fachliche Kompetenz, aufweisen“, erklärt Prof. Dr. Dietmar Grichnik, Co-Autor der Studie. Doch dieser Effekt kann sich je nach Kontext ins Gegenteil verkehren. „Gerade im Managementkontext wird attraktiven Frauen von männlicher Seite eher Kompetenz abgesprochen, was auch als ‘Beauty is Beastly’ bekannt ist. Wir waren daran interessiert, wie sich dies in der Startup-Szene verhält“, sagt Dr. Robert Schreiber, Postdoktorand am GCEI-HSG.
- Frauen sind die besseren Führungskräfte
- Gründerinnen sind in Deutschland eine Minderheit
- Gründerinnen werden seltener unterstützt
Die Forscher führten dazu ein Experiment unter 111 männlichen Frühkapitalinvestoren aus der Schweiz und Deutschland durch. Den Probanden wurde dabei per Zufall ein Video eines Pitches derselben Startup-Idee gezeigt, einmal von einer attraktiveren und einmal von einer weniger attraktiven Schauspielerin vorgetragen. Es handelte sich dabei um einen echten Startup Case. Danach sollten die Investoren angeben, wie wahrscheinlich es ist, dass sie in dem Finanzierungsprozess weiterverfahren würden. Außerdem mussten sie die Kompetenz der Gründerin beurteilen und erst zum Schluss wurden sie gefragt, wie attraktiv sie die Jungunternehmerin im Video fanden. Aus früherer Forschung weiß man, dass die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol und des Sexualhormons Testosteron zu gesteigertem Risikoverhalten führt, was die Investitionsbereitschaft erhöhen kann. Deshalb maßen die Forscher:innen die Cortisol- und Testosteronlevel der Probanden vor und nach dem Pitch.
Entscheidungsboards diverser gestalten
Die Ergebnisse der Studie sind eindeutig: Die attraktiveren fiktiven Unternehmerinnen hatten eine um 21 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, Investitionen zu erhalten. Doch warum? Ließen sich die Investoren einfach von der höheren Attraktivität blenden? Die Studie zeigt, dass die attraktiveren Gründerinnen auch als kompetenter eingestuft wurden. „Wir konnten also nachweisen, dass der Halo-Effekt auch bei attraktiven Frauen im Startup-Bereich wirksam ist. Entgegen unseren Erwartungen hatte physische Attraktivität einen positiven Effekt“, so Schreiber. Es war jedoch nicht nur die höhere eingeschätzte Kompetenz, die zu mehr Investitionen führte. Bei den Kapitalgebern stiegen die Cortisolwerte während des Pitches bei attraktiveren Gründerinnen signifikant, was ebenfalls die Wahrscheinlichkeit eines positiven Entscheids erhöhte.
Die Erkenntnisse dieser Studie zeigen, dass Schönheit und unbewusste Vorurteile auch bei Startup-Investments eine Rolle spielen. „Nur durch eine fundierte Kenntnis dieser Prozesse können wir eine gerechtere und chancengleiche Unternehmensfinanzierung gewährleisten, unabhängig von äußerlichen Merkmalen wie Attraktivität“, sagt Prof. Dr. Dietmar Grichnik. „Es liegt nun an der Venture-Kapital-Szene, sich dieser Herausforderung bewusst zu werden und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine gerechtere und ausgewogenere Investitionsumgebung zu schaffen.“