Greift eine Person im Betrieb eine andere an, wird das bei Betroffenen meist als Bedrohung empfunden. Eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung ist dabei in vielen Fällen schwierig durchzusetzen, wie ein Fall zeigt.
Ein Mitarbeiter arbeitet mit einer Kollegin an einem Probierstand. Für ihre Tätigkeit sitzen sie dabei nebeneinander und arbeiten mit scharfen Messern. Als er der Kollegin das etwa 20 Zentimeter lange Messer an ihren Hals mit einem Abstand von zehn bis 20 Zentimeter Entfernung hält, fühlt sich die Kollegin verständlicherweise von ihm bedroht. Sie informiert einige Tage nach dem Vorfall den Betriebsrat, der wiederum den Arbeitgeber in Kenntnis setzt. Die Folge für den Mitarbeiter: die fristlose (hilfsweise die ordentliche) Kündigung.
Dagegen wehrt sich der Mitarbeiter und zieht vor das Arbeitsgericht Lübeck, wo er Recht erhält (Az.: 3 Ca 157/22). Dagegen wehrt sich der Arbeitgeber und reicht Klage beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein ein (Az.: 5 Sa 5/23). Aber auch dort bekommt der Mitarbeiter Recht. Das heißt, die fristlose und die ordentliche Kündigung sind unwirksam.
Eine Abmahnung macht auf ein Fehlverhalten aufmerksam
Zwar kann eine Bedrohung, die als Gefahr für Leib und Leben empfunden wird, als ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung wirksam sein. Doch in diesem Fall sahen die Richterinnen und Richter der beiden Gerichte dies nach Anhörung aller Zeugen nicht als gegeben an. Denn der Mitarbeiter kann sich auch „nur“ zur Seite gedreht, dabei das Messer in der Hand gehabt und so die bedrohliche Situation ungewollt ausgelöst haben. Dafür spricht, dass er nach Aufforderung der Kollegin, er möge bitte das Messer weglegen, es auch tat.
Und obwohl der unsachgemäße Umgang mit einem Messer eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt, wäre eine fristlose Kündigung nur möglich gewesen, wenn der Mitarbeiter vorab eine Abmahnung für eine ähnliche Pflichtverletzung erhalten hätte. Denn mit einer Abmahnung kritisiert ein Arbeitgeber eine bestimmte Verhaltensweise oder ein Leistungsproblem eines Beschäftigten. Sie dient dazu, den Mitarbeitenden auf sein Fehlverhalten aufmerksam zu machen und ihn zur Verbesserung seines Verhaltens oder seiner Leistung aufzufordern. Eine Abmahnung ist oft der erste Schritt eines Arbeitgebers vor weiteren disziplinarischen Maßnahmen wie einer Kündigung.
Abmahnung muss arbeitsrechtliche Voraussetzungen erfüllen
Dabei enthält eine Abmahnung eine Beschreibung des Fehlverhaltens oder der Leistungsprobleme, das Datum und den Ort des Vorfalls, eine Aufforderung zur Verbesserung sowie eine Warnung vor möglichen Konsequenzen, wenn das Verhalten nicht geändert wird. Wichtig ist, dass eine Abmahnung rechtlich korrekt formuliert ist und die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Nur so hat sie im Streitfall auch Gericht Bestand.
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